Full text: Der Dom zu Mainz (B, [2], Band 2, Teil 1)

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184 Ausftattung: Urfprüngliche Altäre der Seitenkapellen 
Charakteriftifche Züge, gar charaktervolle Häßlichkeit fehlen. Reiches Lockenhaar 
rahmt befonders die Engelköpfe (aber auch andere), und da ift bezeichnend, wie über 
der Mitte der Stirne ein Lockenbüfchel emporftrebt wie eine Flamme: ähnliche Locken- 
büfchel fetzen fich dann fymmetrifch in der Höhe der Schläfen an. Die Unterarme 
der Engel find regelmäßig entblößt, die Ärmel um die Oberarme gebaufcht. Überhaupt 
hat das reiche Gewand oft etwas Geflhürztes. Gern zieht ein Mantelfaum diagonal 
über den Unterkörper. Die voll und plaftifch fallenden Falten häufen fich mitunter 
fo, daß etwa der obere MantelüberfChlag wie ein dicker Wulft um den Körper gewunden 
erfcheint (vgl. die Apoftelfürften). Und bei den Tugenden und Engeln wird die Ge- 
wandung noch künftlicher, bis zur Unverftändlichkeit kompliziert drapiert. Daneben 
ftehen dann wieder größere ruhige, auch fein gefältete Flächen. Diefes Stils alfo find, 
wie ich noch einmal zufammenfaffen will, die drei genannten Reliefs, die Geftalten 
der Apoftel Petrus und Paulus, die Tugenden oben, die jubilierenden Putten und die 
ganze Dekoration. 
Ganz anderer Art find dann wieder die Gruppen der Kreuzfchleppung und der 
Frauen, da ift alles knapp und fchwer. Die Körper find kräftig; auf voll gerun- 
deten breiten Schultern figen kKlaffifche Köpfe, großformig und plaftifch. Auch da, 
wo man charakteriftifch fein will, bei den Henkern der Kreuzfchleppung,!) ergeben 
fich mehr derbkräftige Bildungen als die üblichen übertreibend rohen Züge. Das Ge- 
wand ift einfach, fihließt fich dem Körper vollkommener an und betont ihn, die tief 
gefChnittenen Falten find weniger malerifCh. Die Bewegung ift gemeffen, die Gefte 
gehalten, nicht fo lebhaft. Wir werden diefem intereffanten Stil am Denkmal des 
Kurfürften Daniel (Brendel von Homburg: Nr. 26) wieder begegnen.?) 
Wie die urfprünglichen Altäre der gotifchen Seitenkapellen ausgefehen 
haben, davon gibt uns wenigftens ein erhaltener Überreft noch eine Vorftellung: Als 
man 1868 die Oftwand der Allerheiligenkapelle (XV im Grundriß auf S.117) verftärkte, 
!) Es find übrigens nur die Köpfe der beiden Henker hinten alt und auch diefe nicht 
vollkommen. Der Kopf Chrifti und der Kopf des Henkers, der ihm folgt, find aus Gips. 
2) Es kann nicht die Aufgabe eines Inventars fein, alle kunftgefchichtlichen Fragen, die fich 
ergeben, gleich felbft zu löfen. Der Zuftand der Altäre (und der Denkmäler!) im Mainzer Dom 
läßt es völlig ausfichtslos erfcheinen, die Gefchichte der Mainzer Plaftik auf der Grundlage des 
Mainzer Materials allein darzuftellen. Unfere Aufgabe konnte nur fein, den heutigen Zuftand 
der Werke fo gewiffenhaft wie möglich zu befchreiben, zu fondern, was nicht zufammengehört, 
zu gruppieren, was fich etwa vereinigen läßt. Es muß der Einzelforfchung überlaffen bleiben, 
von dem ficheren Boden beglaubigter Werke aus (die es für die Zeit um 1600 in Mainz nicht 
gibt!) die hier angefponnenen Fäden weiter zu verfolgen. Sehr nachdrücklich müffen wir in 
diefem Zufammenhang auf die große Zahl von Bruchftücken hinweifen, die fich im Kreuzgang 
unten und ganz befonders im Obergefchoß des Oftflügels finden. Es würde fich ganz gewiß 
lohnen, diefe Trümmer einmal zu ordnen und den Verfuch einer Rekonftruktion des einen 
oder anderen Altars mit ihrer Hilfe zu unternehmen. Arbeiten fehr vieler Hände, die wir im 
folgenden zu unterfcheiden fuchen, begegnen dort wieder. Und es find keineswegs nur Werk- 
ftattleiftungen, die jene Kataftrophen im Dom in Stücke gefchlagen haben. Wir felbft konnten 
mit Rückficht auf die Grenzen unferer Aufgabe und behindert durch noch andere hier nicht zu 
erörternde Umftände nicht weiter gehen, als wir gegangen find. — Schlimmer ift, daß wir auch 
unfere eigentliche Aufgabe nicht vollkommen löfen konnten. Aber jeder, der einmal vor den 
Altären und Denkmälern des Mainzer Domes geftanden hat, weiß auch, daß das ohne eine rich- 
tige Einrüftung diefer Werke ganz unmöglich ift. Die außerordentliche Höhe, der Zuftand der 
Denkmäler, der Mangel an Licht laffen auch das beftbewaffnete Auge nur annähernd richtig 
fehen. Wir müffen alfo für alles Folgende ein großes Maß von Nachficht von unferen Lefern 
erbitten. Zuverläffige Nachrichten (Rechnungen oder Aufzeichnungen) über die Herftellungen, 
Veränderungen oder Neuerwerbungen im Dom exiftieren nach Mitteilung des Herrn Dom- 
kapitular D. Bendix auch fürs 19. Jahrhundert, bis faft in die Gegenwart herein, nicht. 
   
       
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
  
  
  
  
  
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
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