Stil
Kurfürft
Uriel von
Gemmingen
262 Denkmäler: Kurfürft Uriel von Gemmingen
und wird von Putten gehalten. Die Wappen find zwei Löwen anvertraut, die fie zu
Füßen der Konfole halten. Diefe Konfole ift mit den Durchfteckungen und Durch-
dringungen ihrer Profile, mit naturaliftifchen Einzelheiten und völlig frei vom Grund
losgearbeitetem Maßwerk und Laub ein Bravourftück fo recht nach dem Herzen der Zeit.
An den Konfolen der Seitenfiguren treten Renaiffanceformen auf — die erften in Mainz!
Die Seitenfiguren ftehen nicht mehr über, fondern nebeneinander je in der Innen-
und Außenkehle der Architektur. Sie rücken in die Zone des Oberkörpers der Haupt-
figur und damit in den reichft belebten Bildftreifen. Man beachte, wie neutral alles
Untere bleibt, wie ruhig auch in der Hauptfigur die gegenfäglichen Linien der Haupt-
falte (von der linken Hüfte des Erzbifthofs abwärts) und der Stäbe wirken. Aber in
der Höhe der Seitenfiguren ift alles fein gegliedert: da ift auf der einen Seite das Buch,
auf der andern die Hand mit dem Tuch (Sudarium) an den Stäben, da ift das Pallium
und eine reiche fthöne Faltendraperie. So zieht fich hier quer eine Zone voller Bild-
reize. Darüber dominiert der Kopf, locker umrahmt von lauter tektonifChen Formen.
Ich fehe in dem Denkmal das Werk eines überaus reifen künftlerifChen Empfindens.
Daß es nicht fo ftark wirkt wie etwa das des Berthold von Henneberg oder wie das
nächftfolgende, hat feine Urfache einmal eben in der faft etwas kühlen Ausgeglichen-
heit der Akzente, dann wohl auch in der geringeren Eindrucksftärke, die dem dar-
geftellten Fürften gegeben ift. Mit Recht aber betont Paul KautfCh, daß das Porträt
an fich vortrefflich ift, ebenfo individuell wie großzügig.
Anziehende Proben von Backoffens Kunft find auch die Seitenfiguren, priefterliche
Milde und ritterlicher Adel fehr eindrucksvoll charakterifiert (der Kopf des heiligen
Georg ift von einer neuen männlichen Schönheit). Dargeftellt find: links außen Moriß,
am Sockel die Überwindung eines heidnifchen Fürften (?); links innen der heilige
Bonifaz, am Sockel fein Martyrium; rechts innen St. Martin, am Sockel eine ganze Ver-
fammlung von Krüppeln und Bettlern — nicht ohne Humor; rechts außen St. Georg,
am Sockel zwei Drachen.
Paul Kautfch hat die Stellung des Denkmals zwifchen den Denkmälern des Erz-
bifchofs Berthold und des Erzbifchofs Uriel und die Zugehörigkeit zum Werk Back-
offens einleuchtend begründet. Es mag genügen, für das Einzelne auf diefe Aus-
führungen zu verweifen.
Nr. 19. Kurfürft Uriel von Gemmingen 7 1514. NA. Tafel 5ib.
Serarius S. 882. Joannis I S. 822. Bourdon S. 22. Gudenus Il S. 827. Werner |
S. 305. Schaab II S. 86, 116. Schneider im Korrefpondenzblatt des Gefamtvereins
der deutfchen Gefchichts- und Altertumsvereine 24. 1876. S. 61 ff. (hier wird m.W.
zum erften Male richtig auf Backoffen gefthloffen). Börger a. a. OÖ. S. 49, 56. Dehio
a.a.0O.S.141. Paul Kaupßjfch a. a. O.S.33 ff. Dehio und von Bezold, 16. Jahrhundert:
Tafel 3. Photographie Hertel und Kroft.
Das Grab des Erzbifchofs befand fich nach Joannis in der Memorie vor dem Agidius-
Altar. Das Denkmal war [päteftens fthon im 18. Jahrhundert an feiner heutigen Stelle.
Auch diefes Werk hatte föhwer gelitten. Es wurde 1831 (durch Jofeph Scholl) herge-
ftellt. Die Seitenfiguren fehlen ganz. Ergänzt find: der Kopf des knieenden Erzbifthofs
zum größeren Teil, !) die Hände ganz, Kopf, Hand und Schale des Knaben (!) zu Füßen
des heiligen Martin (natürlich falfch! hierher gehört, wenn auch gewollt in kleinerem
Maßjftab, der Bettler), Unterarme und Kelch des kleinen Engels unter den Füßen Chrifti.
I) Nach Bodmanns Anmerkung zu Joannis wurde er 1794 heruntergefchlagen. Bodmann
will ihn 1799 gefunden und wieder aufgefett haben. Aber noch (oder wieder?) Werner [ah
die Figur ohne Kopf.