Stil
322 Denkmäler: Dompropft Karl Emmerich Franz von Breidbach-Bürresheim
Auf einen mächtigen, mitfamt den Flügeln 1,30 m breiten Chronoskopf, bei dem
die Anlehnung an den Laokoonkopf nicht zu verkennen ift, fett fich ein gefchweifter
Sockel. Auf diefem fteht der Sarkophag, an deffen Vorderfeite das Infchrifttuch hängt,
in der Mitte des oberen Randes gehalten vom Breidbach-BürresheimfChen Wappen
mit zwei Helmen (der rechte mit der Inful, der linke mit dem Breidbachfthen Kleinod),
rechts und links nach.den Ecken in einen Knoten gerafft. Eigentümlicherweife kam
man nicht dazu, die GrabfChrift einzuhauen (wie fie ungefähr gelautet hätte, gibt Schunk
a. OÖ. an); wahrfcheinlich wollte man damit bis zur Vollendung des Denkmals für den
Kurfürften felbft warten. Es follte das Gegenftück zu dem unferen werden, kam aber
nicht zur Ausführung. Die Urfache davon mag vielleicht in der Gegenftrömung zu
fuchen fein, die zu Beginn der Regierung Johann Friedrich Karl von Erthals gegen
die Anfchauungen und Regierungsmaßregeln feines Vorgängers eintrat.
Auf dem Sarkophage ruht halbliegend der Verftorbene. Mit dem rechten Arme
ftügt er fich auf ein Kiffen, die Linke ift leife wie zum Segnen gehoben. Die Dar-
ftellung auf dem Denkmale Anfelm Franz’ von Ingelheim diente für den Künftler
oder deffen Auftraggeber als Vorbild. Auch hier wieder der feine, geiftvolle Prälaten-
kopf, die Familienähnlichkeit zwifchen Oheim und Neffen — den letteren hat Melchior
wiederholt porträtiert — [pringt fofort in die Augen; neben dem Dompropfte fteht
auf dem Kiffen die Prälateninful, in diefer Form kaum urfprünglich.
Hinter dem Ruhenden erhebt fich auf einem ganz einfach gehaltenen Sockel eine mit
zwei Seiten aus der Wand vor[pringende fChlanke Pyramide, die mit ihren zwei Flächen
als Träger der Ahnenfchilde dient, heraldifch rechts: 1) von Breidbach, 2) Schall
von Bell, 3) von Metenhaufen, 4) von Hagen; links: 1) von der Leyen, 2) Schilling
von Lanftein, 3) Brömfer von Rüdesheim, 4) Waldbott von Baffenheim.
Über der Spige der Pyramide [ühwebt auf Wolken die heilige Dreifaltigkeit, aber
in einer neuen, vom Geifte des Klaffizismus durchdrungenen Auffaffung. Gottvater in
mächtiger Fülle des Gewandes, im Ausdruck und in der Bildung des Hauptes Zeus
ähnlich, zeigt mit der Linken himmelwärts. Die Rechte legt er auf die Schulter des
neben ihm knieenden Chriftus, der hier geradezu wie eine antike Götterfigur wirkt:
vollftändig nackt, ein knieender Apollo. Zu Füßen Gottvaters [pielen auf den Wolken
zwei neckifChe Putten, die unwillkürlich zum Vergleiche mit denen am Medaillon-
porträt des Kurfürften Emmerich Jofef aus der kurfürftlichen Reitbahn herausfordern.!)
Gerade diefe mit der landläufigen Auffaffung brechende Darftellung der Dreifaltig-
keit und hier wieder insbefondere die des Sohnes Gottes mag es gewefen fein, die
in den maßgebenden Kreifen Anftoß erregte. Vielleicht war in feinem Entwurfe der
Künftler noch weiter gegangen und mußte dann auf Wunfch des Beftellers oder anderer
einflußreicher Perfönlichkeiten im Domkapitel oder am Hofe des Kurfürften mancher-
lei ändern. Die Erinnerung an diefe Vorgänge lebte noch über ein Jahrzehnt lang in
den gebildeten Kreifen der Stadt fort, und fo mag fich Risbecks oben angeführte
Äußerung erklären.
Mit dem Grabmal des Wildrich Marfilius von Hoheneck (+ 1735), deffen Reft
jegt im Oftflügel des Kreuzgangs wiederangebracht ift, tritt die auf dem Sarkophage
ftehende Pyramide zum erftenmal im Mainzer Dome als Schmuck des Denkmals auf,
hier freilich noch mit dem (jett verlorenen) vorhangartigen Hintergrunde. Melchior
behielt diefes Motiv bei, ob aus eigener Entfchließung oder auf Wunfth, wiffen wir
zunächft nicht; jedenfalls vereinfachte er es aber wefentlich, fthon im Sinne eines
') Siehe Cicerone VII S. 165 Abb. I und Mzr. Ztfchr. X S.84 Abb. 14, Erwerbungsbericht
des Altertumsmufeums der Stadt Mainz.