Kelche
356 Sakriftei, Domfchag: Kelche
Es bleibt uns alfo nur übrig anzunehmen, daß man diejes Original von unferem
Kreuz Nr. 3 auf das Kreuz Nr. 2 übertrug und unfer Kreuz mit dem Nachguß be-
dachte, wozu ja die moderne Art der Befeftigung fehr gut [timmt. Im übrigen ift das
Kreuz wohl erhalten. Intereffant ift die Verewigung des Stifters: die Umfchrift um
das Bild nennt ihn — RVTHARDVS - CVSTOS-
Das Kreuz wurde neuerdings dem Dom gefchenkt. 1866 befand es fich angeblich
im Befitz des Hofrates Dr. Weidenbach in Wiesbaden. Das beftreitet aber der oben an
zweiter Stelle genannte Auffag: noch 1868 gehörte das Kreuz der Kirche zu Planig an
der Nahe. Entftanden ift es wohl — wie das vorige — in der erften Hälfte des 12. Jahr-
hunderts. Die Werkftatt, aus der es hervorging, ift vermutlich diefelbe oder eine ähn-
liche, wie die oben unter Nr. 1 befthriebene.
3. KorpusvoneinemKruzifix,18cm lang, Kupfer. Eine ganz rohe Arbeit
des 12.—13. Jahrhunderts. Herkunft unbekannt. Das Stück gehört offenbar zu der
Gruppe von Kruzifixen, die Fr. Witte (Die Skulpturen der Sammlung Schnütgen in
Köln. Berlin 1912. Tafel 4 und 5) als Arbeiten aus dem Rheinland und der Maas-
gegend bezeichnet. Man beachte die Stellung der Hände: die Rechte fegnet (?), die
Linke erteilt Gnade (a. a. O. S. 20f.). Phot. Groß.
Wenn wir im Folgenden die Kelche des Schatjes zufammenftellen, [o wollen wir
doch ausdrücklich bemerken, daf ficherlich weder der fechseckige Kelch (Nr. 5) noch
der Carpentariusbecher (Nr. 7) ein Meßkelch gewefen fein kann.
4. Kelch und Patene aus St. Stephan, fogenannter Willigiskelc.
Friedr. Schneider, Der Stephanskelch des Mainzer Domes. Jahrbücher des Vereins
von Altertumsfreunden im Rheinland LXXXVII. Bonn 1889. S. 97 ff. mit drei Tafeln
(davon zwei farbig; nach den Aufnahmen des Kölner Miniaturmalers Georg Fuchs).
Schneider gibt auch die ältere Literatur an (dazu ift zu vergleichen im Nachlaß
Schneiders Fasz. XIII, 3). Vgl. ferner O. v. Falke und H. Frauberger, Deutfche
Schmelzarbeiten des Mittelalters. 1904. S. 119 ff. Lehnert, Illuftrierte Gefchichte des
Kunftgewerbes I. 1907. S. 319 ff. Witte, Zur Frage nach der Heimat des translyziden
Emails im 14. Jahrhundert. Ztfchr. für chriftl. Kunft 24. 1911. S. 293. Phot. Groß.
Der Kelch gehörte einft der Kirche St. Stephan in Mainz, kam 1802 bei der Säku-
larifation des Kirchenguts in Privatbefig und wurde von dem damaligen Domkanoni-
kus Werner erworben. Er ift feit 1807 im Befit; der Domkirche. Seine Höhe beträgt
21 cm, der Durchmeffer des Fußes 16 cm, der der Kuppe 14,9 cm. Er ijt aus Silber,
vergoldet, und mit transluziden Emails gefchmückt. Leider wurde er „[ühonungslos
verneuert“, insbefondere die Vergoldung. In den flammenartigen Feldern des Fußes find
fieben Paffionsfzenen und eine Steinigung des Stephanus zu [ehen, am Knauf in Vier-
päffen die vier Evangeliftenfymbole, wechfelnd mit vier Typen (Einhorn, Pelikan,
Phönix, dem Löwen, der feine Jungen anhaucht). Die fenkrechten glatten Teile des
Ständers umzieht jedesmal ein Bandmufter mit Vogelbildern und Blattzwickeln. Dies
alles ift in Email über verfthieden tief gravierter Zeichnung gegeben („TieffChnitt-
[chmelz“). Die Farben find Blau, Braun und Gelb, Grün, Grau, Asphalt und Purpur.
Die Fleifchteile find vergoldet. Die Rahmen der Emailmedaillons am Fuß laufen
flammenartig nach oben zufammen und enden jedesmal in einer eravierten, mit einer
Lilie gekrönten Spite. So bilden fie eine fortlaufende Reihe nach unten gekehrter
hoher Kielbogen, in die wiederum gravierte Blätter eingreifen. In die Zwickel, die
die Medaillonrahmen mit dem Rand des ganzen Fußes bilden, find Drolerietiere
graviert. Endlich überzieht den Knauf zwifchen den Zapfen des Nodus plaftifch frei
aufgelegtes Laubwerk. Die Kuppe ift glatt.