Full text: Der Dom zu Mainz (B, [2], Band 2, Teil 1)

    
Hand- 
[chriften 
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
    
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
366 Sakriftei, Domfchag: Handfchriften 
[chon vorher geftörter Gräber zufammen wieder beigefetzt waren, bleibt nur der Schluß 
übrig, daß man einem Toten des fpäteren 13. Jahrhunderts ältere Stücke feines Be- 
fies oder des Domfchages mitgegeben hat, die er vielleicht im Leben befonders 
häufig gebraucht hatte. Entfcheiden läßt fich die Frage nicht mehr. 
34. Weitere Gräberfunde. Hier find noch die Fundftücke anzuführen, die 1872 
bei der Erneuerung des Oftchors verfchiedenen Gräbern entnommen und in der 
Sakriftei geborgen wurden. Da indeffen Friedrich Schneider darüber ausführlich ge- 
handelt, die Funde befchrieben und abgebildet hat,!) begnüge ich mich damit, hier zu 
verzeichnen, daß die von Schneider angeführten Stücke aus den Gräbern der Kur- 
fürften Johann Schweikard von Kronberg und Johann Adam von Bicken und einigen 
anderen Gräbern des Oftchors auch heute noch in der Sakriftei gehütet werden. 
Handfchriften. Noch haben wir nicht von den Handfähriften gefprochen, die 
der Dom in der Sakriftei verwahrt. Auch fie find nicht alter Befit5 des Domes. Aber 
wenn auch ihre Zahl nicht groß ift, fo find doch fo wertvolle Stücke darunter, daß 
mindeftens eine fummarifche Aufzählung hier am Plage ift. Sie find heute allermeift 
dem Schate einverleibt, f£hon der zum Teil koftbaren Einbände wegen. Die Chor- 
bücher aus dem Karmelitenklofter ftehen im fogenannten Kapitelfaal, follen aber 
hier gleich mit behandelt werden. 
I. Die vier Evangelien. Perg. 4°. 10. Jahrhundert. Der Text ift in Minuskel 
gefchrieben, die Überfchriften in Majuskel; verfChiedene Hände. Ganz kleine rote 
und grüne Initialen; auch die Kanontafeln find nur farbig ornamentiert. Bilder der 
vier Evangeliften: die Rahmen farbig gemuftert mit goldenen und filbernen Rand- 
linien; die Hintergründe unten in zwei Purpurtönen gemuftert, darüber in Streifen 
himmelblau und grün; die Zeichnung zinnoberrot oder weiß; an Farben kommen vor: 
Himmelblau, Purpurrot, Fleifchfarbe, Hellgelb, Graugrün. Die Wirkung ift fehr bunt 
und die Arbeit derb-provinziell. Darum ift auch eine Beftimmung des Entftehungs- 
ortes nicht leicht. Swarzenski vermutet Beziehungen zu einer fächfifchen, vielleicht 
einer Hildesheimer Schreibftube.*) 
Der Einband ift jüngeren Datums, wenn nicht modern, ein roter Sammetband, 
17,5><22 cm groß. Auf dem Vorderdeckel ift indeffen ein altes Kreuz aufgenagelt, 
aus einer dünnen Silberplatte ausgefchnitten. Auf diefem Kreuz ift zunächft ein Rand- 
ftreifen mittels einer eingravierten Linie abgetrennt. Weiter ift das Bild des Gekreu- 
zigten eingraviert: Chriftus jugendlich bartlos, das Haupt leicht neigend (aber mit 
offenen Augen), auf einem mächtigen Suppedaneum ftehend. Die Füße nebenein- 
ander find nicht durchbohrt. Die Arme find wagrecht ausgeftreckt, die Hände durch- 
bohrt. Der Schurz, bis zu den Knieen reichend, ift in der Mitte geknotet. Hinter dem 
Kopf Kreuznimbus, darüber IHS XPS. Der Grund um die Figur innerhalb des 
Rahmens ift vergoldet. Gute Arbeit des 10./11. Jahrhunderts.”) 
Über die Herkunft der Handfthrift ift nichts bekannt. 
2. Die vier Evangelien. Perg. 4°. 32 Blätter. Zweite Hälfte des 10. Jahr- 
hunderts. Außerordentlich f&hön durchweg in Gold-Unziale auf Purpurgrund ge- 
[chrieben; von Blatt 17 an von einer zweiten altertümlicheren Hand. Die Seiten find 
mit dreiftreifigen Rahmen umgeben (z. B. gold—blau— golden, die Streifen durch rote 
1) Gräberfunde. Archiv f. heff. Gefch. 13. 1874. S. 321 ff, und S. 534 ff. Dazu die Tafeln I—XV. 
2) Bei der Beftimmung der Handfchriften durfte ich mich der Hilfe meines verehrten Kol- 
legen Profeffor Swarzenski erfreuen. Ich danke ihm auch hier herzlich für feine wertvollen 
Hinweife. 
®) Vgl. P. J. Münz, Archäolog. Bemerkungen über das Kreuz Chrifti. Annalen des Vereins 
für Naffauifche Altertumskunde und Gefchichtsforfchung VIII. 1866. S. 554 und Tafel VII, 7. 
  
	        
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