Full text: Der Dom zu Mainz (B, [2], Band 2, Teil 1)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
368 Sakriftei, Domfchag: Handfchriften 
4. Miffale. Perg. 4°. Zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts. Gefchrieben in Un- 
ziale und Minuskel; zur Auszeichnung find neben Unzialen auch Kapitalen verwandt. 
Außer kleineren farbigen Initialen kommen auch große Prachtinitiale vor, zum Teil 
in Verbindung mit großer Schrift nahezu eine ganze Seite füllend und dann auch auf 
Purpurgrund in zweifarbige oder goldfilberne Rahmen gefett. Die großen Initialen 
haben von Goldbändern gerahmte Buchftabenkörper; die innere Füllung ift meift 
blau und grün, der Grund fleifchfarben. Sie find reich und wirr mit vielverf&hlungenen 
Ranken ausgeftattet, die mit runden Knofpen befetgt find und in dreiteilige Blätter 
auslaufen. Im eigentlichen Miffale drei Bilder: die Frauen am Grabe, das Pfingjt- 
feft, eine Kreuzigung Petri. Die Bilder ftehen in mehrftreifigen farbigen ornamen- 
tierten oder goldfilbernen Rahmen. Die Streifengründe find in Fleifchfarbe und ähn- 
lichen fahlen grauen, graubraunen, graurofafarbenen, graugrünen und sgraugelben 
Tönen gehalten. Auch die Figuren zeigen blaffe Farben: Ziegelrot, blaffes Graugrün, 
Grau, blaffes Rofa, daneben Rotbraun und Schwarzbraun. Die Zeichnung ift mäßig 
(Tafel 70 c und d). Der Einband gleicht durchaus dem von Nr. I, nur daß fich auf 
dem Vorderdeckel keine Metallauflage befindet. 
Über die Herkunft ift nichts bekannt. Doch erlaubt der Text vielleicht einige Schlüffe. 
Nach den Heiligen des Kalenders — genannt wird gleich im Anfang der Handfährift 
St. Alban, weiterhin Sta Bilhildis — kann man vermuten, daß das Buch in Mainz, 
vielleicht in St. Alban, gefchrieben wurde. Weitere Eintragungen rechtfertigen den 
Schluß; fo wird vermerkt: Ludolfus Ottonis filius regis obiit (957), weiter: obiit Fri- 
dericus archiepiscopus Moguntinae sedis (954). Das ift der Erzbifchof Friedrich von 
Mainz, der die Erhebung Liudolfs gegen feinen Vater, Kaifer Otto unterftügte (953/4). 
Beide — Friedrich wie Luidolf — liegen in St. Alban begraben (f. Mzr. Ztföhr. III. 1908. 
S,81). Andere Eintragungen weifen ebenfalls nach Mainz. Eine Meffe für den Bonifatius- 
tag [Chließt das Ganze ab. Darnach werden wir getroft die Entjtehung der Handfihrift in 
Mainz annehmen können. Swarzenski fieht in dem Werk den Ausgangspunkt für die 
Beftimmung einer Mainzer Schule, die vermutlich in Beziehungen zu Fulda, weiter- 
hin zu Trier und Köln ftand, und weift auf eine Handfchrift in Pommersfelden (2940) 
hin, ein Gebetbuch des Kaifers Otto. Weitere Handfchriften dürften fich angliedern 
laffen. Entftanden ift unfer Buch ficher in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts. 
5, Lectionarium (Evangeliar). Perg. Fol. Um 1380. In großer gotiföher 
Minuskel gefihrieben; fehr fthöne große Filigran-Initialen in farbiger Tinte. 
Einband neu (in grünem Leder); es find aber die Buckel des Rückdeckels und der 
Metallüberzug des Vorderdeckels alt, und da fie nach Gegenftand, Charakter und Stil 
fehr wohl zur Handfchrift und ihrer Entftehungszeit paffen, [o zweifle ich nicht, daß 
die Stücke von dem urfprünglichen Einband der Handfährift ftammen. Uns intereffiert 
befonders die Metallauflage des Vorderdeckels, Sie ift aus Silber, vergoldet und 
30><38,5 cm groß. Dargeftellt ift eine Kreuzigung. Und zwar find der Gekreuzigte 
[amt dem Kreuz, Maria und Johannes unmittelbar aus der Grundfläche in ziemlich 
ftarkem Relief getrieben, während das Leiftchen, das im Dreipaß das Hauptfeld oben 
abfchließt, ebenfo wie die Evangeliftenfymbole (Engel und Adler) mit ihren Rund- 
rahmen aufgelegt find. In den Grund ift ein Teppichmufter eingraviert. Der Rahmen 
ift wieder für fich gearbeitet und angefett. Er zeigt zwifchen zwei feinen Leiften den 
Wechfel von kleinen aus dünnen Stäben gebildeten (alfo offenen) übereck geftellten 
Quadraten und längeren, an beiden Schmalfeiten zugefpitten Feldern, die emailliert 
find: fie weifen goldene Engelköpfe mit grünen Nimben in blauem Grund auf. Die 
Arbeit ift gut, wenn auch nicht ungewöhnlich. 
  
	        
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