Kreuzgang, Baubefchreibung: Weftflügel 397
Hier fette die Umgeftaltung des 19. Jahrhunderts ein: in den vierziger Jahren öffnete
man diefe Wand hinter den Wandpfeilern (recht unorganifch) in einer großen Doppel-
arkade, die die Fenfterreihe der Nikolauskapelle nach dem Kreuzgang fortfett!)
(vgl. Abb. 104: wir geben die heutige Fenfteranlage in einer Teilzeichnung über
dem Grundriß inD---D).
So erhielt die Kammer endlich ihr heutiges Gepräge. Auf den Wänden, einigen
Vorlagen und einer Mittelfäule ruhen die vier fChlichten gratigen Kreuzgewölbe ohne
Gurten und Schildbogen. Die Säule ift — heute — ohne Bafis und hat ein dem tos-
kanifchen ähnliches Kapitell. Der Schaft ift aus Granit. Seine Form und diefes Ma-
terial legen die Vermutung nahe, es möchte fich wie bei den Säulen im Kapitelhaus
(f. unten) fo auch hier um einen urfprünglich römifchen Schaft handeln, der dann im [pä-
teren 16. Jahrhundert feiner heutigen Stelle dienftbar gemacht worden wäre. Die ganze
bisher befthriebene Architektur ift weiß getüncht; der Fußboden ift mit viereckigen
Sandfteinplatten belegt. In der Mitte der Nordwand findet fich eine flache Nifche,
deren Gewölbe mit einer Stichkappe in die beiden anfChließenden Kreuzgewölbe ein-
[chneidet; bei y fieht man an Stelle der vermauerten Tür (f. oben) einen niedrigeren
kaminartigen Einbau; gegenüber, bei y’, ift eine weitere Tür. Das alles ift fo form-
los, daß eine genaue Beftimmung der Entftehungszeit nicht möglich erfCheint. Das ift
offenbar, daß der Raum fein heutiges Ausfehen fchwerlich vor der Mitte des 16. Jahr-
hunderts erhalten hat. Die Ausftattung ift belanglos.
DER KREUZGANG UND DIE GOTISCHEN STIFTSGEBÄUDE
Der Zug der gotifchen Stiftsgebäude ift mit zwei Flügeln an den Dom angefähloffen,
und zwar fett der Weftflügel die Memorie, der Oftflügel die füdöftliche Eingangshalle
des Domes in voller Breite gegen Süden fort, während der dritte Flügel das fo gebil-
dete Hufeifen im Süden fchließt. Dementfprechend hat auch der Kreuzgang, der an
der Innenfeite der drei Flügel umläuft, nur drei Arme: eine Verbindung an der Kirche
entlang fehlt. Ob das immer fo war, läßt fich nicht mehr fagen. Wie die romanifchen
Stiftsgebäude ausgefehen haben, wiffen wir nicht.?) Man follte meinen, daß von ihnen,
wenn fie einen ftattlichen maffiven Bau gebildet hätten, doch wohl irgendwelche
Refte erhalten fein müßten. Allein der Augenfchein widerfpricht folchen Schlüffen.
Genug, was wir haben, ftammt’erft aus gotifcher Zeit. Jeder Flügel umfaßt, dem
Kreuzgang angefchloffen, verfchiedene Räume, die den Zwecken des Kapitels dienten.
Sie bilden in jedem Arm mit dem zweigefchoffigen Kreuzgang zufammen ein Ganzes.
Wir betrachten zunächft den Kreuzgang und dann das, was von den übrigen Räumen
noch erhalten ift (vgl. die Tafeln 76 und 77).
DER KREUZGANG
Wir beginnen die Befchreibung®) in der unteren Halle und zwar im Weftflügel
füdlich der Memorie. Diefer Weftflügel umfaßt fünf Joche von recht ungleicher Tiefe.
Sie find fämtlich mit Kreuzrippengewölben über Wandvorlagen, Schildbogen und Gur-
ten eingewölbt. Und wenn auch fehr beträchtliche Teile erneuert find — der Kreuz-
gang wurde in den Jahren 1841—45 hergeftellt —, fo läßt fich doch der urfprüng-
liche Zuftand in allen wefentlichen Punkten noch feftftellen. Zunächft fheint der
Fußboden in allen drei Flügeln nach dem Jahre 1800 erhöht worden zu fein. Das geht
1) Die beiden Fenfter find ganz und gar neu, nicht nur (wie in der Nikolauskapelle) die
Innenprofile. Daß aber auch vorher fchon Fenfter da waren, bezeugt Bourdon S. 189.
2) Vgl. oben S. 16 f. zum Jahre 1036 und S.20 zum Jahre 1243. Schneider, Dom Sp. 11 u. Sp. 28.
3) Vgl. Bourdon S. 177. Gudenus II S. 871 ff.
Baube-
fchreibung:
Weftflügel