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Eigentliche Stiftsgebäude: Oftflügel, Weinkeller 415
Decke erhielt im Zufammenhang mit jener großen Umgeftaltung der Halle felber zu
Kurfürft Brendels Zeiten.!) Im übrigen ift der Saal heute wüft und leer; die Fenfter-
wand [theint fo gut wie ganz neu zu fein; wie es einftmals hier ausgefehen hat, ver-
mag ich nicht zu fagen. So bleibt noch manches ungeklärt, z. B. der merkwürdige
Anfat eines Gewölbes in der Nordweftecke. Der ganze Saal kann nicht gewölbt ge-
wefen fein: fonft müßte man weitere Spuren finden. Es kann fich nur um ein kleines
Gewölbe im Raum gehandelt haben. Auch der Grundriß des Gudenus deutet hier
etwas Ähnliches an: man wird an einen Kamin denken dürfen, da oben, über der
heutigen Decke ein großer Kamin erfcheint (möglich wäre aber auch eine Treppe oder
ein gewölbtes kleines Gemach zur Aufbewahrung von Archivalien oder Koftbarkeiten
(vgl. die entfprechenden Behältniffe in der Sakriftei). Die Erklärung würde uns viel-
leicht leichter fallen, wenn wir mit vollkommener Sicherheit angeben könnten, welchen
Zwecken der Saal einft gedient hat. Ift dies das majus capituli hypocaustum, das
Bourdon erwähnt? ?) Er gibt an, es fei gleichzeitig mit dem Kreuzgang gebaut, und
befchreibt dann die gemalten Wappenftheiben von fünf Fenftern, die Mitgliedern des
Kapitels vom Anfang des 15. Jahrhunderts bis in deffen 80er Jahre hinein angehörten.
Das beweift natürlich nur, daß eben die bunten Fenfter erhalten waren: der Raum
könnte deshalb doch unfer unter Kurfürft Brendel umgeftalteter Saal fein. Immerhin
ift es auffallend, daß Bourdons Schilderung des Raums nirgends einen Hinweis auf
die Zeit des Kurfürften Brendel gibt. Die hervorgehobenen Stücke der Ausftattung
jind älter, felbft der „ungeheuere“ eiferne Ofen ftammt aus den Tagen des Kurfürften
Sebaftian von Heufenftamm (1548). Ich vermag die Frage nicht ficher zu beantworten,
kann aber auch nicht fagen, wo wir uns dann das majus capituli hypocaustum denken
[ollen, wenn es nicht mit unferem Saal identifch ift.
Im Winkel des Süd- und des Oftflügels am Kreuzgang führte ein Gang ins Freie.
Ob er immer mit einer Treppe verbunden war, weiß ich nicht. Heute gibt er, ver-
wahrloft und umgeftaltet, keine deutliche Anfchauung des einftigen Zuftandes mehr.
Erft recht ift der ganze einftige Oftflügel der Stiftsgebäude uns verloren. Was
heute feine Stelle einnimmt, ift völlige Erneuerung. Unfer Plan (Tafel 77; vgl.auch S. 4
Abb. 1) teilt den Flügel in drei Abfchnitte; die ließen fich mit den drei Raumbeftimmun-
gen, die Bourdongibt,?)recht wohl vereinigen. Darnach hätten wirhier zu [uchen die Rüft-
kammer, die Heiligengrabkammer und die Domfchule. Zu jedem der drei Raumab-
[hnitte gehörte eine befondere Tür. Die Domfthule, auch fonft hier bezeugt (f. S. 4
Abb. 1), lag neben dem Ausgang, der am füdöftlichen Domtreppenturm nach der heuti-
gen Domftraße, ehemals „zum kalten Loch“ genannt, führte.
In diefem Zufammenhang darf man auch den gewaltigen Weinkeller nicht ver-
geffen, der fich unter dem Kapitelhaus und teilweife auch noch unter den Bauten des
Oftflügels hinzieht. Er ift — natürlich — vortrefflich erhalten. Vor allem gibt der
höchjt folide und aufwändig gebaute zweifchiffige, fechs Doppeljoche zählende Keller
unter dem weftlichen Teil des Kapitelhaufes eine großartige Vorftellung von der
wirtfChaftlichen Kraft des Domkapitels in guten Zeiten. Der Keller ift über Pfeilern,
Schild- und Gurtbogen mittels gratiger Kreuzgewölbe gewölbt und gehört ficher noch
den romanifchen Stiftsgebäuden an, d.h. der Zeit um 1239 (vgl. auch S. 20 zum Jahre
') Fr. Schneider (Von den Denkmälern des Mainzer Domes II. Mainz 1903, S. 7f.) gibt
eine kurze Würdigung der Ausftattung diefes Raumes und glaubt, feine Wandmalereien dem
Anfang des 16. Jahrhunderts zuweifen zu dürfen. Das fcheint mir angefichts des Stilcharakters
der Figuren ganz unmöglich. Vgl. auch Kreuzgangdenkmäler unter Nr. 61.
2).0. 297, 3,28: 230 ff.
Oftflügel
Weinkeller