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446 Kreuzgang, Denkmäler: Südflügel Nr. 32
läßt fich auch fonft noch der eine oder andere Zug der Verwandtfchaft hervorheben.
Allein man wird darüber nicht überfehen, daß den Johannes doch wohl eine andere
Hand und ein anderes Temperament gefthaffen hat. Die fcthlankere Körperbildung,
die größere Beweglichkeit der Apoftel (wie die Köpfe auf den langen dünnen Hälfen
herumfahren!), das alles findet fich beim Johannes nicht wieder: er ift unterfett,
[ehwer; der mächtigere Kopf fitzt faft halslos in den Schultern. Auch Einzelheiten
find verfchieden. Bei den Apofteln find die Augen fehr regelmäßig ftilifiert, ift das
Zwifchenftück zwifchen dem oberen Augenlid und der Augenbrauen wie ein flaches
Band behandelt. Hierin (wie ja auch im Gewand) kündigt fich die neue Tendenz an,
die Körperlichkeit der Fläche zu opfern. Der Johannes ift altertümlicher, plaftifcher.
Seine Augen find unregelmäßiger, lebendiger; fie ftehen ungleich. Sie find auch natu-
raliftifcher: man beachte die rund eingeritten Pupillen. Vor allem aber liegen die
Augen tief, unter faft horizontalen Verdachungen: es geht von den Augenbrauen
beinahe fenkrecht zurück. Auch das Haar ift anders behandelt. Endlich die Empfin-
dung: im Johannes verhalten, dumpf, eine düftere Glut, in den Apofteln wach, be-
weglich, [prühend. Der verfchiedenartige Ausdruck kann — wenigftens bis zu einem
gewiffen Grade — beabfichtigt fein. Aber es bleibt ein Reft: der Täufer ift unbe-
dingt charaktervoller als die Apoftel.
Wo kam diefe Kunft her? Der einheimifchen Überlieferung, d. h. der Art des
Meifters vom Weftlettner (f. oben S. 149 ff.) verdankt fie den plaftifchen Hauptcharakter,
wie er der Körper- und Gewandbildung zugrunde liegt und im Kopf des Johannes
fo ftark zum Ausdruck kommt. Ihr verdankt fie auch das naturaliftifche Element
(vgl. z.B. das merkwürdige Gewand Johannes des Täufers). Dazu treten bambergifche,
wohl ebenfalls f&hon länger in die mittelrheinifche Kunft eingegangene Elemente
(vgl. die Haarbehandlung hier mit der einiger Apoftelköpfe am Bamberger Georgen-
chor; vgl. weiter die vulgären Nafen. Die Haarvoluten kehren an dem Grabftein des
Dieter von Katenellenbogen (7 1267) aus Mainz im Wiesbadener Mufeum und ähn-
lich am Gelnhaufener Lettner wieder). Weiter aber muß neuerdings eine irgendwie
vermittelte Berührung der Mainzer Plaftik mit der Rheimfer Kunft ftattgefunden haben.
Die Beweglichkeit, die langen Hälfe, die Gefichts- insbefondere die Mundbildung der
Apoftel fezen die Art des Rheimfer Jofephsmeifters voraus, die dem Meifter des
Mainzer Weftlettners noch nicht bekannt war. Und was nun darüber hinaus noch an
unferen Figuren auffällt, das ift nichts anderes als handwerklicher Zeitge[föhmack in
Deutfchland, das Flach- und Stumpfwerden des Plaftifchen, das Schematifieren und
die Zugeftändniffe an altertümliche Gepflogenheiten. Dergleichen findet fich an den
Apofteln bezeichnenderweife mehr als am Johannes (Haar, die lahmen, flachen Gewand-
motive an Stelle der einft natürlich-plaftifchen — beachte namentlich unten die Gewand-
fäume!—, das Flacherwerden der Gefichter): die Johannesfigur fteht eben qualitativ
höher, ift perfönlicher, ift vom Meifter der Werkftatt, die Apoftel find in der Haupt-
fache Gehifenarbeit. Ein ähnliches Umbilden der großen Überlieferung von der Mitte
des 13. Jahrhunderts können wir im Bereich der mittelrheinifchen und bambergifchen
Kunft auch fonft beobachten (vgl. die Figuren des Heiligen Grabes im Münfter zu
Konftanz und gewiffe Figuren in Magdeburg). Somit laffen fich diefe unfere Überrefte
eines Weltgerichtsportals fchließlich doch recht gut aus der einheimifchen Kunft felbft
heraus erklären.!) Sie werden um 1270 entftanden fein.
!) Diefe Würdigung habe ich in Erinnerung an eine Aus[prache mit Herrn Dr. Otto Schmitt
vor den Figuren niedergefchrieben. Ich bin ihm dabei für manche treffende Bemerkung zu
Dank verpflichtet.