Full text: Der Dom zu Mainz (B, [2], Band 2, Teil 1)

Willigis- 
türflügel 
58 Baubefchreibung, Äußeres: Marktportal 
Nach den Formen gehört das Portal der Periode der Umgeftaltungen in den Seiten- 
fchiffen an: um 1200. Der Stil des Figürlichen ift altertümlicher als am Leichhofportal 
(f. unten Tafel 21b); es ift hier alles ftrenger, [Chematifcher ftilifiert, zierlicher, aber 
auch plaftifch weniger entwickelt.!) Einzelheiten find erneuert. Die Säule links ift aus 
fchwarzem Schiefer, die andere aus fchwarz angeftrichenem rotem Sandftein. Auch die 
Löwen, der größere Teil des Rundwulftes, die Taube, die beiden Kapitelle find neu. 
Hier haben die ehernen Türflügel des Willigis (975— 1011)ihre Unterkunft gefunden, 
zwei mächtige, je in einem Stück gegoffene Flügel. Eine fChlicht profilierte Umrahmung 
mit einer mittleren Querleifte bildet auf jedem Flügel zwei vertiefte Felder. Auf den 
drei horizontalen Rahmenleiften läuft quer über beide Flügel hinweg die Infchrift:?) 
+ POSTIAMAGNVIMPRAROLVS 
S V VESSEIVRIBDIT NAWRE ; 
HMILLGISVSZRCHEPS-EXMETALIL SPEEIE 
VALVAS EHEGERAÄT PRIMVS = 
BERENGR\ KVIY ORRIS ARTIFEX EL TOR 
V TPEO DMROGSRSYIATSVPPIEX 
Masstab 1:8 
Zu deutfch: Nachdem der große Kaifer Karl geftorben war, hat Erzbifchof Willigis 
zuerft (wieder) aus Metall Türflügel machen laffen. Berenger, der Meifter diefes Werkes, 
bittet angelegentlich, o Lefer, daß du für ihn zu Gott beteft. Die Schrift zeigt fehr 
fehöne hohe Kapitalen. Man beachte die Ligaturen und das Ineinanderftellen benach- 
barter Buchftaben. Offenbar ift die Schrift nachträglich in die glatt gegoffenen Flügel 
eingemeißelt worden. Willigis muß irgendwelche zu Kaifer Karls Zeit gegoffene Tür- 
flügel gekannt haben, die ihn anregten, ein ähnliches Werk zu unternehmen. 
In der Mitte jedes der beiden unteren Felder fit vor einem flach profilierten (an- 
gegoffenen) runden Rahmen ein großer Löwenkopf mit einem Ring. Auf der Rück- 
feite der Türen fieht man von einer Befeftigung der Köpfe nichts. Dennoch find fie 
nicht aus einem Stück mit den Flügeln, vielmehr auf fehr finnreiche Weife mittels aus- 
gegoffener Klammern an diefe befeftigt. Deshalb brauchten fie noch nicht jünger zu fein 
als die Flügel. Aber das ganze Verhältnis der mächtigen Köpfe zu den fein profilierten 
Rahmen und ihr Stil felber läßt es doch ausgefchloffen erfcheinen, daß Flügel und Köpfe 
von Anfang an zufammengehört hätten. Andererfeits ift es nicht ganz einfach, die 
Entftehungszeit der Köpfe zu beftimmen. Ich denke an den Beginn des 13. Jahrhunderts, 
wenn fich auch der großartige Naturalismus der Bildung nicht recht mit der um diefe 
Zeit fonft noch herrfhenden Neigung zum Stilifieren vertragen will.?) 
1) Ein in manchen Stücken ähnliches Portal findet fich an St. Severus in Boppard. 
2) F.X. Kraus, Die chriftl.Infchriften der Rheinlande II, 106 ff. Nr.239, 1—2 mit 2 Fakfimiles. 
Klingelfchmitt und Schrohe, Mainzer Infchriften Nr. 1. 
3) Übrigens gab es römifche Löwenköpfe, die recht wohlals Vorbilder gedient haben können. 
Vgl.Velke, Zwei bronzene römifche Wafferfpeier. Zeitfchrift des Mainzer Altertumsvereins III. 
1868 ff. S.137. Die hier befchriebenen Stücke ftammen angeblich allerdings aus Straßburg. 
    
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
   
  
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
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