Full text: Der Dom zu Mainz (B, [2], Band 2, Teil 1)

   
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Baubefchreibung, Äußeres: Marktportal 59 
In den beiden oberen Feldern findet fich eine zweite Infchrift:!) Das Privileg des 
Erzbifchofs Adalbert an die Stadt (von 1118, vgl. die gefchichtliche Einleitung im erften 
Bande unferes Werkes). Auch diefe Infchrift läuft quer über beide Flügel. Man fieht 
deutlich, wie der Künftler zunächft Raum gefpart hat. Einzelne Buchftaben find in die 
Schräge der Rahmen eingefChnitten. Dann fah er, daß er mit feinem Text auskam: nun 
werden die Zeilen lichter. Bemerkenswert find neben den ungezählten, oft fehr kühnen 
Ligaturen befonders die vielen Unzial-, ja Minuskelformen, die fich eingemifcht 
zeigen. Die Infchrift ift [&hwerlich vor der Mitte des Jahrhunderts eingegraben. 
Die Türflügel find erft 1804 von der Liebfrauenkirche, die feit 1793 in Trümmern 
lag, nach dem Dom verbracht worden. Ein Stich von K. M. Ernft in Mainz (Stadt- 
bibliothek, Mappe III, Nr. 190), 13,3><18,3 cm, zeigt die Türflügel in der Umrah- 
mung des Liebfrauenportals, das fie bis 1793 zu fChließen hatten. 
Eine andere Frage ift aber, wann die Türflügel an die Liebfrauenkirche gekommen 
find. Man könnte daran denken, daß fie von Willigis für feinen Dom hergeftellt, etwa 
1159 aber bei der Beraubung des Domes (unter Erzbifchof Arnold von Selnhofen) 
dem Dom entfremdet worden wären. Bisher fcheint die Anficht zu herrfchen, daß die 
Flügel urfprünglich für die Liebfrauenkirche beftimnit waren, die dann alfo Erzbifchof 
Willigis gebaut hätte. Mir fCheint doch weit näher zu liegen, daß diefes ungewöhnliche 
Gußunternehmen dem größten Werke des Willigis, feinem Dom-Neubau, zugute 
kommen follte und zugute kam. Es wird anderenorts darauf zurückzukommen fein. 
Das Portal fteht nicht in der Mittelachfe des zugehörigen Seitenfchiffjoches (vgl. den 
Grundriß Tafel 5). Es ift fehr wahrfcheinlich, daß hier ältere Anbauten, etwa eine 
Kapelle in der Ecke zwifchen Langhaus und Querhaus, die Anlage mitbeftimmt haben. 
Schneider (Sp.30 Anm. 7)macht überdies daraufaufmerkfam, daß das Portal im 13. Jahr- 
hundert eine Vorhalle (atrium) hatte, und bringt den zugefetten Bogen über dem Portal 
(vgl. die Abbildung bei Schneider Sp. 88) damit in Zufammenhang. An fich wäre das 
möglich. Allein in unferem Falle bleibt doch noch manches dunkel. Zunächft: nur oben, 
über dem zugemauerten Bogen ift die Wand unverfehrt. Da finden wir Quadern zum 
Teil mit Zangenlöchern. Ein Steinmegzeichen, ein kleines Kreuz, taucht auf. Auch 
die Steine im Gewände des eigentlichen Bogens find alt: fie gleichen durchaus den 
oben befchriebenen Bogenfteinen im Reft der alten Mauer über dem Marktportal, fie 
find ebenfo fchmal, haben das gleiche Profil und tragen diefelben Steinmeßzeichen. 
Aber fchon die Steine im fenkrechten Gewände und ebenfo die der [Cheinbaren Bank 
der einftigen Öffnung find mindeftens überarbeitet. Alles übrige ift neu oder dick ver- 
pußt. Alfo: die alten Teile ftammen aus derfelben Zeit wie der darüberliegende Reft 
(unter dem Dach), nämlich aus der Zeit des Umbaues der SeitenfChiffe, gegen 1200. 
Die ganze Wand fcheint darnach mit dem Portal unten gleichzeitig zu fein. Und dazu 
paßt doch gar nicht die Tatfache, daß Portal und Bogenöffnung nicht diefelbe Mittelachfe 
haben, alfo gar nicht genau untereinanderliegen. 
Man wird fich wohl damit begnügen müffen, anzuerkennen, daß irgendwelche ur- 
[prüngliche Abfichten noch während des Baues wieder aufgegeben worden find. Das 
Portal kann dem Stil nach weder wefentlich älter, noch wefentlich jünger fein als die 
ganze Wand. Eine einigermaßen einleuchtende Erklärung vermag ich nicht zu geben. 
Das Äußere der gotifchen Kapellenreihen läßt fich rafch befchreiben. An der 
Nordfeite find die Flächen aus vortrefflich behandelten Sandfteinquadern gebildet. Man 
beachte die Zangenlöcher überall — fie find nur in der Gotik ausnahmslofe Regel. Den 
Sockel bildet ein doppelter Vorfprung, jedesmal fChräg abgedeckt. Die Strebepfeiler 
1) Kraus, Chriftl. Infchriften II, 111. Mainzer Infchriften Nr.1. 
    
  
  
   
   
   
   
   
   
   
     
   
  
  
   
   
  
   
   
   
   
   
   
  
    
     
   
   
   
   
   
   
    
    
    
   
      
Gotifche 
Kapellen 
Nordfeite
	        
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