Full text: Der Dom zu Mainz (B, [2], Band 2, Teil 1)

   
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12 Baubefchreibung, Äußeres: Weftchor 
Im Bogenfeld erblicken wir den thronenden Chriftus zwifchen Maria und Johannes. 
Rechts und links findet fich noch je ein heiliger Bifchof (Martin? und Bonifatius). Da 
diefe Außenfiguren des Bogenfeldes wegen niedriger werden mußten als die drei mitt- 
leren, find fie nur als Bruftbilder behandelt. Einzelheiten — fo mehrere Nafen — 
find ergänzt (Tafel 21). Die Chriftusfigur war nie völlig fertig: Die Oberflächen find bis 
auf Einzelheiten noch rauh. Wahrfcheinlich wurde der unfertige Zuftand durch die Be- 
malung einigermaßen gemildert. Die Mufchelteile feines Nimbus find diamantiert, das 
Kreuz darin mit Kugeln befegt. 
Der Stil der Figuren zeigt noch wenig neues Leben. Die Köpfe find noch völlig 
ideal-kindlich: man beachte das vollgerundete Oval der Maria und des Bifchofs links. 
Die Lider umgeben als allfeitig erhabener Wulft fpig oval die vorquellenden Augen; 
die Lippen find etwas aufgeworfen; die Haare (z. B. die Bärte der zwei Bifchöfe und 
des Johannes) fein geriefelt oder in ftreng ftilifierte Locken geteilt. Charakteriftifch- 
individuelle Züge fehlen ganz. Andererfeits hat das Byzantinifche hier aber auch nicht 
den großartig vergeiftigenden Einfluß gehabt wie etwa in Halberftadt: man ift bei den 
Äußerlichkeiten ftehengeblieben. 
In den Gewändern finden wir die wohlbekannten Züge der byzantinifch geführten 
Plaftik der Zeit wieder: das Angeklatfchte der Gewandflächen auf den Schenkeln, die 
Dachfalten an den Schultern und Oberarmen, regelmäßig ineinander gefchaltete, [pit- 
ovale Faltenfyfteme an den Beinen (Maria!), abgetreppte Säume, das Fließen der 
Gewänder um die Füße, die fein gefältelten Unterärmel. 
Das alles aber ift nicht ftark betont. Insbefondere zeigt fich keine Neigung zu jenem 
gradlinig-fCharfbrüchigen, fpigwinkligen, zackigen Wefen, das bald nach 1200 auch am 
“ Rhein — wenigftens am Niederrhein — zur Geltung kommt. Die Gewandung hat eher 
etwas Weiches.!) Eine Zeichnung des Bogenfeldes vom Jahr 1805 findet fich in der 
Stadtbibliothek (im noch ungeordneten Beftand). 
Um den Aufbau des eigentlichen Chores richtig zu verftehen, muß man fich noch 
einmal vergegenwärtigen, daß er aus einem nahezu quadratifchen Innenraum befteht, 
deffen drei freien Seiten (nach Norden, Weften, Süden) große dreifeitige Konchen vor- 
gelagert find (f. den Grundriß). Macht man fich das klar, fo verfteht man, daß die 
mächtigen Strebepfeilerpaare in den einfpringenden Ecken zwifchen den Konchen in 
den Druckachfen der großen Bogen ftehen, die das Gewölbe des Chorinnenraumes 
tragen, alfo rechtwinklig zueinander nach Norden (1), Weften (2) und Süden (1) ge- 
richtet fein müffen. Auffallenderweife find dann aber die [&hwächeren Strebepfeiler 
an den Ecken der Konchen nicht übereckgeftellt, fondern jeweils rechtwinklig zur 
Breitenachfe der Konchen, alfo ebenfalls nach Norden, Weften und Süden gerichtet. 
Auch darin zeigt fich wieder, daß fich der Erbauer über die firengere Logik des Strebe- 
[yftems nicht klar war. Das Unorganifche der Löfung wird namentlich da, wo die Ab- 
deckung der Strebepfeiler am Gefims unterhalb der offenen Arkade der Konchen 
endet, offenbar (vgl. Tafel 15 und Tafel 22). 
Der einfpringende Winkel zwifchen den Hauptftrebepfeilern ift fchräg gefüllt, doch 
fo, daß die Pfeiler über die f[öhräge Flucht der Ausfüllung noch kräftig vorfpringen. 
Ebenfo ift beiderfeits — wenigftens in den unteren Regionen — der Winkel zwifchen 
den Weftfronten des Querhaufes und den Konchen gefüllt, fodaß auch hier mächtige 
Steinmaffen den Hauptftügen des Aufbaues widergelagert find. 
‘) Herr Dr. Noack macht mich auf ein ftilverwandtes Tympanon im Wallraf-Richarg-Mufeum 
in Köln aufmerkfam, das aus St. Pantaleon ftammt. Die Verwandtfchaft — ich urteile allerdings 
nach einer Photographie — ift tatfächlich fehr groß. 
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