Bau zwischen
Wartturm und
Kapelle
Alte Kapelle
62 KREIS BÜDINGEN
im Dachstuhl aufgehängte Schlagglocken von 70 cm bezw. 57 cm unterem Durch-
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messer sind von »Gebrüder Barthels in Frankfurt, Anno 1802«, gegossen.
Die weiteren romanischen Burgteile, insbesondere die des einstigen Palas, welche
nächst dem Hauptturm zu den ältesten Überresten des Bauwerks gehören, sind
bereits auf S. 56 im Äussern geschildert worden. Im Innern ist von Architektur-
teilen jener früheren Zeit, mit Ausnahme der in Fig. 28 u. 29 abgebildeten Fenstergruppen,
nichts erhalten oder sichtbar. Die Gelasse 10—14 im Erdgeschoss dienen nunmehr
Zwecken der Hauswirtschaft und Dienerschaft; die grossen stattlichen Räume 10—1I3
hatten gewiss einst eine weniger untergeordnete Bestimmung. Kreuzgewölbe mit
hohlkehlenförmigen Rippen und profilierten Schlusssteinen überdecken die Kammer-
tischstube, Plättestube, einen zwischen liegenden Raum und die Flurhalle. In letzterer
steht ein schöngegliederter Kamin aus Stein, der mit den Wappen von Ysenburg
und Nassau-Katzenelnbogen geschmückt und ungefähr um 1600 errichtet sein
wird. Zur Erhellung dieser Räume dienen grosse viereckige Fenster, welche
in die S. 57 erwähnten romanischen Rundbogenöffnungen von 1,67 m Weite und
2,30 m Höhe eingesetzt sind. Ähnlich im Obergeschoss, wo sich einst über diese
Räume ein grosser Saal erstreckte. Ein Teil desselben, mittels einer Zwischenwand
vom Flur abgesondert, dient auch jetzt als Saal. Die alte, von Durchzügen getragene
Balkendecke ist verborgen unter einer in späterer Zeit angebrachten Putzdecke.
Von besonderer baukünstlerischen Bedeutung ist das im Unterbau der Schloss-
kapelle erhaltene, schöne Portal, von dem bereits erwähnt wurde, dass es seiner
Formbildung nach der romanischen Bauweise gegen Ende des ı2. Jahrhunderts
angehört. Die Abbildung auf der angehefteten Tafel I macht eine weitere
Beschreibung überflüssig. Die Lichtöffnung ist 1,5 m weit und 2,00 m hoch. Das
Kreuz und die mit gefalteten Händen davor knieenden Gestalten im Bogenfeld
lassen keinen Zweifel darüber zu, dass das Thor zu der früheren Burgkapelle
gehörte. Dieselbe war dem h. Johannes dem Evangelisten geweiht und wird 1344,
zu welcher Zeit sie längst bestand, zum erstenmale urkundlich erwähnt.
In einem, von Erzbischof Heinrich von Mainz in genanntem Jahre bestätigten Ablassbrief.*)
Im Jahre 1448 gestattete der Kardinal-Legat Johannes dem Grafen Diether T. in seinem Schlosse
zu Büdingen einen tragbaren Altar zu haben, um denselben Freitags an jedem ehrbaren Orte
aufstellen und daran Messe lesen zu lassen, wenn die Pfarrkirche zu Büdingen ohne seine Schuld
mit dem Interdikt belegt sei.
Der jetzige Hofboden ist um mehrere Stufen über die Thürschwelle der
Kapelle erhöht. Die Lage derselben zu ebener Erde ist eine ungewöhnliche; die
Hauskapelle pflegte, nach der seit dem ı2. Jahrhundert ausgebildeten Bauart der
Burgen, im Obergeschoss derselben in Verbindung mit den herrschaftlichen Ge-
mächern angelegt zu werden. Ob nun der ebenerdige Raum, zu dem die romanische
Thüre führt, einst die Bestimmung hatte, als eigentliche Kapelle, oder aber als
Gruft- und Unterkirche einer zweistöckigen Doppelkapelle zu dienen, mag dahin-
gestellt bleiben. Seine jetzige Gestalt lässt auf gottesdienstliche Zwecke nicht
schliessen; denn das kellerartige Gelass ist mit rohen Kreuzgewölben aus verputzten
Bruchsteinen überdeckt, die indes erst beim Bau der oberen Schlosskapelle, von
*) Simon, Gesch. d. reichsst. Hauses Y. u. B. III. S. 141, No. 138, u. I, S. 93.
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