Full text: Kreis Friedberg ([C, 2])

  
78 KREIS FRIEDBERG 
wie der südliche Thurm beweist, der neben dem Bellmuther Steine eine reiche 
Verwendung eines andern, aus Sand und Kies sich zusammensetzenden, roheren 
Gesteins zeigt, das an andern Stellen des Baues nur vereinzelt vorkommt. Reparaturen 
sollen 1503 und 1604, 1821-24 und 1846-——-47,') ferner 1871 an der Kirche 
vorgenommen worden sein. 
Bei dem Bau der Kirche wäre auf ihre Bestimmung als Collegiat- oder Pres- 
byterialkirche Rücksicht zu nehmen gewesen, wenn sie diese bei Festlegung des 
Bauprogramms bereits gehabt hätte; denn Friedberg war nach 1312 und vor 1315 
Sitz des früher zu Södel befindlichen nördlichen Landkapitels des Achidiakonats 
von St. Maria ad Gradus, ?) und es fand in der Stadtkirche alle Jahre ein heiliges 
Kapitel statt. In einer Urkunde von 1366 wird der »ehrbarn, weisen geistlichen 
Leute, des Erzpriesters, Kämmerers und des ganzen Capitels des Stuhles zu Friedberg» 
Erwähnung gethan.?) Diese kirchliche Behörde hatte ein eigenes Capitelhaus zu Fried- 
berg, in dem die kirchlichen Berathungen stattfanden. Eine Anzahl von »Benefiziaten, 
Altaristen und Capellanen« waren der Kirche zugetheilt. Ob aber diese kirchliche 
Behörde in Friedberg schon bei der Errichtung des neuen Chores und Querhauses 
bestand, ist mit gutem Grunde auch deshalb noch zu bezweifeln, da man sonst wohl bei 
der ganzen Anlage von vorn herein Rücksicht auf die Aufnahme des Capitels in die 
Kirche genommen und den Chor grösser angelegt oder mit einer Chorvorlage versehen 
hätte. Auch als Friedberg den neuen Glauben angenommen hatte, hat das Capitel als 
protestantisches noch eine Zeit lang fortbestanden.*) Wie umfangreich übrigens der 
kirchliche Dienst in der Stadtkirche gewesen sein muss, beweist die Zahl der ehe- 
mais vorhanden gewesenen Altäre; Würdtwein zählt ihrer 17 auf.?) 
en Die Liebfrauen- oder Stadtkirche zu Friedberg ®) ist ein gothischer dreischiffiger 
Allgemeinen Hallenbau mit Querhaus, unmittelbar daran stossendem, aus fünf Seiten des Achtecks 
gebildetem Chore, zwei an der Westseite vor den Seitenschiffen vorspringenden 
  
Thürmen und 4 Treppenthürmen, von denen zwei an der Westseite des Querhauses 
und die beiden andern zwischen den Langhausmauern und den Thürmen stehen. 
Das Baumaterial ist Sandstein aus verschiedenen Brüchen; die Gewölbe sind in 
Horizontalschichtung aus Ziegelsteinen hergestellt, nur das der Vierung aus Bruch- 
  
stein. Die mit Rippen versehenen Kreuzgewölbe der drei annähernd gleich hohen 
Schiffe werden von runden und achteckigen mit Diensten versehenen Pfeilern und vor 
den Mauern der Seitenschiffe von je drei verbundenen Diensten getragen. 
Der Chor, ein hoher schlanker Bau, ist nach deutscher Art einschifig an- 
  
gelegt. Seine Wandungen werden in ihrer ganzen Breite von hohen spitzbogigen 
Fenstern durchbrochen, so dass das Mauerwerk zwischen ihnen eigentlich nur aus 
den Fensterwandungen mit den nach innen vorgelegten Diensten und den aussen 
vorspringenden Strebepfeilern besteht. Diese kühne Construction war anscheinend 
  
  
  
für das fünftheilige Chorgewölbe, dessen Kappen der spitzbogigen Linie der Fenster- 
bogen angepasst sind, zu schwach, so dass die Mauern dem Gewölbeschube der 
Vierung haben nachgeben müssen; die hierdurch entstandenen, Bedenken 
ı) Ebds. S. 56. 2) Würdtwein a. a. ©. Bd. III. S. 6. 3) Ebds. S. 16 
4) Vgl. Dieffenbach a. a. O. S. 299 etc. 5)8..2,.0, Bd. IH. S, 23, 
6) Abbildungen der Kirche bei Moller, Denkmäler, Bd. I. 
  
  
 
	        
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