Full text: Kreis Friedberg ([C, 2])

8o KREIS FRIEDBERG 
wurde. Für jene Annahme spricht die Piscina, welche sich in der Östmauer des 
nördlichen Querhausarmes vorgefunden hat. Der nördliche und südliche Bogen 
des Querhauses zeigen dadurch Unregelmässigkeiten, dass der obere Stab des Profils 
vom Scheitel an den inneren Bogen 
nach Osten zu verlässt und sein Lager 
nicht auf dem Stirnpfeiler der Chor- 
mauer, sondern auf dem der Chor- 
mauer im Innern vorgebauten Bündel- 
dienste findet. Die beiden westlichen 
Pfeiler des Querhauses sind die ein- 
fachsten der Kirche. Sie haben 
bloss 4 Dienste für die Rippen der 
Quer- und Schildbogen, während die 
Diagonalrippen schlichtweg über der 
Kapitälplatte aufsteigen. Das Ge- 
wölbe des Vierungsquadrates hat 
einen Schlussstein in Kranzform mit 
Blattverzierungen. In der Ost- und 
  
Nordmauer des Querhauses sind 
Fig. 45. Friedberg. Stadtkirche. grosse spitzbogige Fenster, von denen 
Oestl. Nische des Chores. jedoch das östliche des nördlichen 
Raumes bis auf das Bogenfeld zugemauert ist. Unter dem östlichen Fenster des südlichen 
Querhausarmes ist eine rechteckige Nische mit Maasswerkverzierung angebracht; das spitz- 
bogige Pförtchen in der Südmauer mit der Blattwerkverzierung führt in den Treppenthurm. 
Das dreischiffige Langhaus (Taf. VIII.) hat sechs Joche. Die vier östlichen 
Pfeiler sind rund und haben vier alte und vier junge Dienste, die letzteren für 
die Diagonalrippen. Die übrigen Pfeiler unterscheiden sich in der Form nur dadurch 
von jenen, dass sie achteckig sind; auch sind die beiden westlichsten Pfeiler 
stärker als die übrigen. Drei Schlusssteine des Mittelschiffes haben Kranzform. 
Von den vollen ist der eine mit dem Agnus dei in Relief geschmückt. Die 
Rippen sind theils gekehlt, theils birnstabförmig. In jedem Seitenschiffjoch befindet 
sich ein hohes spitzbogiges Fenster. Zwischen den westlichsten Pfeilern und der West- 
mauer sind in dem Seitenschiffe zwei spätgothische, überwölbte Tribünen eingebaut. 
Diese schlichte, übersichtliche Raumgliederung und die weise Beschränkung 
der Bauformen auf das Nothwendige verleihen dem Innern der hoch emporstrebenden 
Kirche gerade wegen seiner Einfachheit einen überaus ernsten und erhabenen 
Eindruck. Das in seiner Blüthe stehende mittelalterliche Gemeinwesen Friedberg’s 
hat uns in ihr den Ausdruck seiner bürgerlichen Macht und seiner hohen Gesinnung 
  
für das Heilige und Schöne hinterlassen. Freilich lässt sich nicht leugnen, dass 
die wie in einem Gusse hergestellte Kirche trotz jener rühmenswerthen Vorzüge in 
der Gesammtwirkung heutzutage, wo eine einförmige gelbliche Putzhülle die Malereien 
der Mauer-, Pfeiler- und Gewölbeflächen überdeckt und das Innere seiner 
sämmtlichen Altäre beraubt ist, des anregenden individuellen Lebens entbehrt; bei 
der Schlichtheit der Hallenanlage an sich tritt dieses um so merklicher hervor. 
  
  
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