Das Grosshzgl.
Schloss
108 KREIS FRIEDBERG
da der Stamm mit einem breiten Dorn in den Fuss eingesetzt ist, auch als Vor-
tragekreuz gedient haben kann. Die Arme des kupfernen Kreuzes endigen als
Dreipässe, die auf den Flächen zu Vierpässen erweitert und auf den Vorderseiten
mitsammt dem vierten unten am Hauptstamm angebrachten Vierpass in ihren Ver-
tiefungen mit den aus Silber gegossenen Gestalten und Zeichen der Evangelisten
verziert sind. Auf der Rückseite hat das Kreuz an den entsprechenden Stellen
die flach getriebenen und gravirten Zeichen der Evangelisten und in vier mit Glas
verschlossenen Kapseln Reliquien. Die Ränder sind mit frei vortretendem Ranken-
und Blattwerk und mit Lilien verziert; von ehemaligen edlen oder halbedlen Steinen
legen nur noch ihre Kapseln Zeugniss ab. Der Fuss ist rechteckig und mit ziemlich
rohen eingetriebenen und gravirten, schon Renaissancecharakter zeigenden Blatt-
ornamenten verziert, über denen an dem aufsteigenden Stamm gothische Maass-
werkformen eingravirt sind. Das Christusbild ist gegossen und ciselirt, hat ange-
nehme Verhältnisse und ist im Uebrigen eine leidliche Handwerkerarbeit.
Dass das eine oder andere Stück der oben!) erwähnten kirchlichen Gefässe
zur Burgkirche gehört haben kann, ist schon hervorgehoben. Als bedeutendstes
noch vorhandenes Erzeugniss des alten deutschen Kunstgewerbes haben wir jedoch
noch eine der Burgkirche zugehörige Altardecke zu erwähnen (Taf. XI). Sie ist
aus seidenem Plüsch hergestellt, welchem ein rosettenartiges Linienmuster eingebrannt
ist, und hat drei aufgenähte Buntstickereien, in der Mitte ein Kreuz, an den
Enden zwei senkrechte Streifen. Den Grund dieser Stickarbeiten bilden gekreuzte
Goldfäden. Die gestickten Figuren sind aufgenäht. Auf dem Kreuzstamm ist
unten Christophorus, darüber ein Heiliger mit Doppelkreuz und Stab, oben St.
Georg, auf jedem Kreuzarm ein Engel in Flachstickerei dargestellt. Die Seiten-
streifen der Decke enthalten je drei männliche und weibliche Heilige. Zeichnung
und Form der Figuren und Baldachine weisen auch diese wirkungsvolle Arbeit in
die Zeit um die Wende des 15. Jahrhunderts.
In dem Thurme der Burgkirche hängen noch 3 alte Glocken. ‘ Die grösste
trägt die Aufschrift:
Osana % heis x ich x meister & jerg & zu X Spier X g0S x mich & anno %
domini . m . cccclxxxxvüt.
Die mittlere:
beatrix x heisx ich % meister & jerg x zu & Spier X g05 k mich « anno x dom.
Mi: LLEBIRLAT UN.
Die kleinste:
Burg . Friberg . hais . ich. Hans Kerle. gos. mich 1589.
Im Dachreiter der Burgkirche hängt eine vierte Glocke mit der Aufschrift:
Praeco .. Dei. Valıda . Cives . Sic . Convo .co . Voce . Anno . 1674.°)
Das ehemals burggräfliche, jetzt Grossherzogliche Schloss erstreckt sich längs
der östlichen Seite der Burg. Vor ihm liegt ein mit einer Mauer umfriedigter
Hof, hinter ihm der Schlossgarten mit ehemaligen Vertheidigungsanlagen. Der
I) Seite or. 2) Vgl, Näheres über Friedberger Glocken im Arch. Bd. XV., S. 496 etc. in dem Artikel
Schaefer, Hessische Glockeninschriften.