Das Langhaus
142 KREIS FRIEDBERG
andere bauliche Spuren nicht zu finden sind, während das ehemalige Vorhandensein
von Reliquien des hl. Gottfried von Kappenberg, des Hauptstifters der Kirche,
für eine solche Anlage spricht. Von diesem Hauptchore aus führen rundbogige
Oeffnungen in den Mauern zu den beiden Nebenchören der Querhausarme.
Die Arkaden des Langhauses (Fig 86) sind rundbogig; die Pfeiler der süd-
lichen Reihe viereckig, die der nördlichen theils viereckig, theils rund ohne regel-
mässigen Wechsel; sie haben sämmtlich runde Vorlagen an den vier Seiten. Ueber
den Arkaden ist nach romanischer Art ein Gesims angebracht, das sich aus einem
als Flechte gestalteten Wulst, Karnies und Platte zusammensetzt. Ueber ihm steigen
die Kreuzgewölbe auf, deren spitzbogige Quergurte schlicht rechteckig und deren
Diagonalrippen gekehlt sind. In den Seitenschiffen ruhen die Rippen von gleicher
Form an der Mauer auf Konsolen und an den Pfeilern auf den Kapitälen der
Vorlagen, und zwar entsprechen einem Mittelschiffjoche zwei Seitenschiffjoche. Diese
Gewölbe haben mit Wappen und Rosetten verzierte Schlusssteine, im Mittelschiff
auch einen kranzförmigen; zwei von ihnen geben uns Aufschluss über den Erbauer
und die Zeit ihrer Ausführung; im vorletzten Joche des Mittelschiffes trägt nämlich
ein Schlusstein (Fig. 87) in der Mitte einer Rosette ein
Meisterzeichen und die Umschrift in gothischen Minuskeln:
+ meifter hen? fteimetz 2 hantaffenhjeim; dasselbe Zeichen
trägt ein Schlussstein des nördlichen Seitenschiffes und ein
anderer daselbst den Namen: rupert duernheimer. Rupert
Dürnheim war Probst des Klosters von 1491 bis 1502.') Andere
Schlusssteine tragen Wappen u. dergl. -
Während die Gesammtanlage des Innern bei der kleinen
Fig. 87.
Ilbenstadt. Schlussstein Raumgestaltung und der Einfachheit in der Gliederung der
im Mittelschiff. Bautheile trotz der späten Einbauten einen recht gefälligen
und würdigen Eindruck macht, stehen wir der Ausführung im Einzelnen mit
schwankenden Gefühlen gegenüber, und es bricht sich überall da, wo der Meissel
eine reichere Gliederung geschaffen oder die Ueberarbeitung mit ornamentalen
Spielformen versucht hat, das Bewusstsein Bahn, dass die Steinmetzen des Baues
dem Schöpfer des Gesammtplanes an Geschmack, Fähigkeit und Erfahrung weit
nachstehen. Die Rohheit einzelner Formen könnte sogar dazu verleiten, ihnen
ein höheres Alter zuzuschreiben, als der Aufbau zulässt. Auffallend ist der über-
dies noch nachlässig gearbeitete Randschlag der Quadern an den Pfeilern, selbst an
den Rundpfeilern, der in geringer Höhe unregelmässige viereckige, nur roh über-
arbeitete Flächen stehen lässt, wodurch der Eindruck hervorgerufen wird, als ob
eine Ueberarbeitung noch beabsichtigt, aber nicht zur Ausführung gekommen sei.
Die Pfeiler des Langhauses haben meistens gestreckte attische Basen, mit oder
ohne Eckknollen, ausserdem noch solche aus Platte, Schräge und Wulst; sie sind
auf grosse Unterlagsplatten gestellt. Eigenthümlich ist die Erscheinung der Rund-
pfeiler mit Vorlagen, die an die Frühgothik erinnern. Wir würden auch geneigt
sein, eine jüngere Datirung hier eintreten zu lassen, wenn nicht die Kapitäle der
1) Schneider a, a. ©. 5. 94. Würdtwein, not. hist. dipl. de Abbatia Ilbenstadt. S. 106. $ IH,