Glocken
220 KREIS FRIEDBERG
zu Gebote stand, so überzeugen uns die malerische Ausführung, welche ausschliess-
liches Eigenthum des Schöpfers des Bildes ist, die Fertigkeit und Sorgfalt im Farben-
auftrage, die weiche Modellirung des Madonnenantlitzes und Erzengels und die
charakteristischere der Gesichter der Apostel und des hl. Hieronymus, dann auch
die glückliche Farbenharmonie, von dem hohen Können des Meisters. Freilich
dürfen wir nicht verschweigen, dass auch minder tüchtige Hände, wohl die von
Gesellen der Werkstätte, an den Malereien zu erkennen sind. So steht die mehr
schematische Behandlung der Füsse der Apostel in schroffem Gegensatze zu der
Durcharbeitung ihrer Köpfe, und die Bilder auf den Aussenseiten der Flügel sind
überhdäupt von geringerer Ausführung als die übrigen. Diese Schwächen können
jedoch den Genuss an den hohen Schönheiten des Bildes, insbesondere der Ma-
donna, der Apostel, des hl. Hieronymus und des Erzengels, nicht trüben, und
dieses gewinnt dadurch noch ein höheres Interesse für uns, dass wir von Schongauer
selbst gemalte Bilder aus der Zeit, als er jene Kupferstiche schuf, nicht kennen
und die vortrefflich gestochene Madonna vom »Meister des Hausbuches«, einem
Schongauer nahe stehenden Künstler, hier in einem zweiten gemalten Exemplare
aus jener Zeit vor uns haben. In welcher Landschaft oder Schule wir den Maler
unseres Altarwerkes zu suchen haben, ist noch recht zweifelhaft. Auf Kolmar und
das Elsass weist die vorwiegende Anlehnung an Schongauer, auf Ulm die mit
Zeitblom’schen Bildern verwandte Anordnung der Apostelfiguren,!) auf Frankfurt
der Umstand hin, dass das dortige Liebfrauenstift das Patronat der Nieder-Erlen-
bacher Kirche besass und Einflüsse verschiedener Malerschulen zu jener Zeit sich
hier kreuzten. ?)
Den Platz jenes Kunstwerkes nehmen jetzt um etwa 200 Jahre jüngere ge-
ringwerthige Oelbilder ein, Darstellungen des Abendmahls, der Auferstehung und
Himmelfahrt. An Kunstwerth nicht höher stehen drei Oelbilder an der Brüstung
der Empore: Goliath, die Israeliten vor Jericho und Simson, den Löwen zerreissend.
Die Kirche hat drei Glocken.?) Die grösste trägt die Aufschrift:
LUCAS x MARCUS & MATHEUS & JOHANNES * GOTWALDIS*
Die zweitgrösste hat die theilweise unklare Aufschrift:
1. Zeile: S. LUCAS x S. MARCUS x S. MATHEUS x S. JOHANNES & LIZ
* MIC * LOBE * MICH * OSANNA * HERXEN.
2. Zeile: MEUSTER%* HAVMAN & VON. MENZE %* GOIS * MICH %*
WAZ * DIESE & GLOCKE * UBER * SCHR %*
3. Zeile: RIET * DAZ * S * VOR * ALLEM * WEDER %* GEFRIET %*
Die kleinste Glocke:
GOS MICH JOHANN GEORG U. JOHANNES SCHNEIDEWIND IN
FRANKFURT ANNO 17009.
ı) Vgl. Ztschr. für bildende Kunst. Neue Folge. Bd. IV.S. 126 u. 128.
2) Auf dieses in Vergessenheit gerathene Altarwerk hat bereits Gwinner hingewiesen in seinem Werke: Kunst
-und Künstler in Frankfurt a. M. 1862. S. 28.
3) Nach Schäter a. a. O. S. 507.