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Sternbacher
Kirche
286 KREIS FRIEDBERG
sind aus Goldfäden, die Plattstickerei stellt in vortrefflicher Arbeit und guter Zeich-
nung Blumen in freier naturalistischer Auffassung und in schöner reicher Farben-
stimmung dar. Einige Messgewänder aus derselben Zeit, aber von geringerem
Kunstwerth, seien hiermit wenigstens erwähnt.
Ein westlich von der Kirche stehender Thurm, der sog. Pfortenthurm, mit
rundem Thürchen ist aus unregelmässigem Mauerwerk und an den Ecken aus
Quadern errichtet. Eine Schiessscharte deutet noch seinen Vertheidigungszweck an.
Er soll nach Kolb 1548 erbaut worden sein. !)
Das jetzige Pächterhaus ist 1792 von Prälat Birkenstock erbaut; vier runde
thurmartige Eckanlagen und das Mansardendach geben dem Gebäude das Ansehen
eines vornehmen Herrschaftshauses.
Die eine knappe halbe Stunde von Wickstadt und in dessen Gemarkung in
idyllischer Waldeinsamkeit über einem Wiesengrund gelegene Sternbacher Wall-
fahrtskirche soll, wie die nicht weit abgelegene Bauernheimer Kirche, eine sog.
Schottenkirche sein. (??)?)
In der ersten Hälfte des ı3. Jahrhunderts finden wir die Sternbacher Kirche
der römischen Kirche und dem Archidiakonat zu den Greden in Mainz unter-
geordnet, ohne dass uns aus der früheren Zeit irgend eine Nachricht über eine
Veränderung des Besitzes überliefert worden wäre. Im vorigen Jahrhunderte
nach einem Brande wieder hergestellt, dient sie zum Gottesdienste der Bruderschaft
»der siegreichen Jungfrau Mariä«, oder »vom heiligsten und unbefleckten Herzen
der Jungfrau Mariä«, an deren Spitze für jene Gegend der Pfarrer zu Wickstadt
steht, und als Wallfahrtskirche. Ein Prozessionsweg mit den Darstellungen der
sieben Fussfälle in Sandstein aus den Jahren 1725 —1730 führte ehemals von
Wickstadt zur Sternbacher Kirche; von diesen Steinen, die Darstellungen aus dem
Leiden Christi in Relief zeigten, sind nur noch drei vollständig erhalten, die aber
handwerkliche Arbeiten sind.
Der Kirchhof der Sternbacher Kirche ist von einer grösstentheils verfallenen
Mauer eingefriedigt; er wird bereits in einer Urkunde von 1231 erwähnt, nach
welcher das Kloster Arnsburg verpflichtet war, gegen Schenkung der den Parochianen
von Sterrenbach und Wickstadt gemeinsamen Wiesen bei Wickstadt eine Mauer
um das Cimeterium ihrer Parochie, und zwar in gleicher Stärke wie diejenige um
das Cimeterium zu Flagestat, aufzuführen.
Von der Sternbacher Kirche
(Fig. 176) gehört die Vorhalle der
neuesten und das mit flacher Decke
versehene Langhaus der Ueber-
gangszeit vom romanischen zum
gothischen Stil und der neuern Zeit
an. Der beide hoch überragende
M. = 1:400 Chor mit kleinem Dachreiter aber
Fıg. 176. Wickstadt. Grundriss der Sternbacher Kirche. ist spätgothisch; er hat zweitheilige
1) Kolb, Rob., Aquila certans. Frankfurt 1687. 2) Nach Heber in dem Aufsatze: »Die neun vormaligen
Schottenkirchen in Mainz u. in Oberhessen« im Archiv, Bd..IX. S. 193 etc.