Kloster Arnsburg. Die Kirche. Wechsel im Stil — Bauunterbrechung. 85
Dagegen war schon früh ein Dachreiter vorhanden, jedenfalls schon vor dem
Dreißigjährigen Kriege. Auf dem Bilde von 1808 ist ein kräftiger, achtseitiger
Vierungsturm mit spitzem Helm zu sehen, ebenso auf der Zeichnung von
Fabricius, hier weniger schlank. Der Abt Robert Kolb, der den Turm neu
errichten ließ, hatte wohl absichtlich den — vielleicht im großen Kriege
zerstörten — mittelalterlichen Helm nachbilden lassen. Seiner Zeit (1673—1701)
hätte eine welsche Haube besser entsprochen. Außer dem Vierungsturm zeigen
beide Darstellungen niedrige Dachreiter auf den Firsten der Querarme, eben-
falls achtseitig, auf den Bildern von 1808 mit geradliniger, auf dem Bilde von
1761 und bei Fabrieius mit geschweifter Haube. Auf jenen Bildern sind sie
dicht an die Giebel gerückt, während sie bei Fabricius’in den Mitten der
Firste sitzen. Es wird sich um diese Dachreiter handeln, wenn in den Bursen-
rechnungen von 1753/54 die Errichtung von zwei neuen Türmen erwähnt
wird. (Abb. 6, 65 und 66.)
WECHSEL IM STIL — BAUUNTERBRECHUNG
Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß etwa in der Mitte des Lang-
hauses ein Wechsel im Baustil eingetreten ist. Mit dem fünften Pfeiler-
paar — von der Vierung aus gerechnet — ist dieser Wechsel festzustellen.
Die einzelnen Punkte, in denen er sich kundgibt, seien hier zusammengefaßt:
1. Der Gedanke der sechsteiligen Wölbung wird aufgegeben zugunsten des
vierteiligen Kreuzgewölbes.
2. Damit fallen im westlichen Teil die Zwischendienste, die die Mittelrippen
hätten tragen sollen, fort.
3. Ferner fallen die Eckdienste fort, sodaß die Pfeilervorlagen in ihrer
Stärke auf die Hälfte ermäßigt und ihre Auskragungen in der mittleren Höhe
der Pfeiler entbehrlich werden.
4. Die Eckdienste in ihrer Aufgabe, die Diagonalrippen zu tragen, werden
ersetzt durch Kapitellbildung an den Pfeilervorlagen.
5. Im letzten westlichen Joch wird das gebundene System quadratischer
Felder aufgegeben. Mit der Einwölbung des rechteckigen Mittelschiffeldes
und der zugehörigen, ebenfalls rechteckigen Seitenschiffelder ist die Gotik
siegreich geblieben.
6. Strebepfeiler werden oberhalb der Seitenschiffgurte angeordnet,
7. In den Scheidebögen tritt der Spitzbogen auf.
8. Die Eingänge im Westen haben ebenfalls den Spitzbogen, während die
im Osten — auch der Mönchseingang im Langhaus — noch rundbogig sind.
9. Im südlichen Seitenschiff werden die Kreisfenster — außen mit wink-
ligen Laibungen — durch Rundbogenfenster — außen mit schrägen Laibungen
— ersetzt.
10. Zwischen dem vierten und fünften Pfeilerpaar — die Stellen sind im
Obergaden genau wahrnehmbar — wird die Mauertechnik eine andere. An
Stelle der sorgfältigen Quaderschichtung tritt ein weniger sorgfältiges, zwar