Kloster Arnsburg. Die Kirche. Wechsel im Stil — Bauunterbrechung. 87
zurückgekehrt zu einer ganz primitiven Form, wie sie zu romanischer Zeit
in flachgedeckten Basiliken üblich war. Gewiß nicht aus Unvermögen der
Bauleute. Den Anstoß dazu hat jedenfalls das Bestreben gegeben, die Pfeiler
nach dem Mittelschiff zu, soweit an ihnen entlang Gestühl Platz finden mußte,
möglichst glatt zuhhalten. Aber ein unbedingtes Bedürfnis hierzu lag nicht vor,
denn viele Zisterzienserkirchen haben den gegliederten Pfeiler von Grund auf
auch an den Stellen, wo Gestühl gestanden hat, während andere, wie das Lügum-
kloster oder das Kloster Orval in Belgien, die Vorlagen nur am Fuß der ersten
Pfeiler abgestreift haben, sie aber im westlichen Teil der Kirche wieder auf-
nehmen. Es scheint vielmehr, als wäre um die Mitte des 13. Jahrhunderts die
Hinaufschiebung der Auskragungen den Zisterziensern gerade recht gewesen,
um, unter dem Drucke einer wieder zunehmenden künstlerischen Entsagung jene
‘allereinfachste Pfeilerform schaffen zu können. Tatsächlich wurde hier ein
geradezu archaischer Eindruck erzielt, der noch gesteigert ist durch die aus
dem gebundenen System sich ergebende enge Stellung der sehr hohen Pfeiler!).
Die Frage tritt auf, ob hinter dem vierten Pfeilerpaar nur eine Änderung
der Bauformen oder ob auch zeitlich eine Unterbrechung der Bautätig-
keit eingetreten war. Das letztere ist anzunehmen, es war anscheinend nicht
nur ein neuer Meister, es waren auch neue Steinmetzen eingezogen, denn vom
fünften Pfeilerpaar an hören die Steinmetzzeichen auf, die sich an den östlichen
Pfeilern ziemlich häufig finden. Nur am fünften Pfeiler der Südseite finden
sich ziemlich tief sitzend noch einmal zwei Steinmetzzeichen, wunderlicherweise
beide an einem Stein, beide aber von einer Form, wie sie sonst nicht vorkommt.
Am vierten Pfeilerpaar — so nahmen wir an — hat die Schranke gestanden,
welche Mönchs- und Laienkirche voneinander trennte. Die Mönche waren zu-
nächst nur darauf bedacht gewesen, den ihnen zugewiesenen Kirchenteil in den
Mauern und im Dach soweit fertigzustellen, daß er für sie benutzbar war, die Aus-
führung der Gewölbe unterblieb vorläufig. Dann trat eine Unterbrechung ein.
Dauerte sie nur so lange, als man Zeit brauchte, um den Östteil der Kirche
vorläufig durch eine Mauer:nach Westen hin abzuschließen und ihn für den
Gottesdienst auszustatten? Oder stellte man die Arbeiten an der Kirche
zunächst ganz ein, um die Wohnbauten für die Mönche in Angriff zu nehmen ?
Diese hatte man zurückgestellt, denn das Gotteshaus mußte fertig sein —
wenigstens soweit, daß es sich benutzen ließ —, ehe man mit den Wohnstätten
der Menschen begann?). Auch in anderen Zisterzienserkirchen ist an der
Stelle, wo Mönchs- und Laienkirche sich scheiden, ein Wechsel des Systems
und der Einzelformen festzustellen?), und zwar zum Teil derart, daß eine
1) Über die Pfeiler in Arnsburg äußert sich sehr gut Rose a.a.O. S. 126. Von der Enge
der Arkaden im gleichzeitigen Otterberg sagt Dehio (Hdb. d. Kstdkm.), daß sie die Seiten-
schiffe erscheinen läßt „wie in den Fels gehauene Galerien“.
2) In Bronnbach fällt nach Oechelhäuser die Entstehungszeit des Ostbaues vor die Erbauung
des Ostteiles der ‚‚jetzigen‘‘ Kirche.
3) In Riddagshausen ist die Pfeilerstellung im westlichen Kirchenteil weiter als im östlichen.
In Walkenried erstreckt sich die Änderung nur auf die Seitenschiffe, wo vom 4. Seiten-