88 Kloster Arnsburg. Die Kirche. Zeitbestimmung.
Unterbrechung von vielen Jahren zweifellos ist. So liegt auch für Arnsburg
die Wahrscheinlichkeit vor, daß man die Arbeiten an der Kirche vollständig
abbrach, um die dringlichsten Wohnräume zu bauen. Man wird den Ostbau
der Klausur und auch den Westbau begonnen und unter Dach gebracht
haben, ohne sie zunächst zu wölben. Dann erst — so nimmt auch Edelmaier
die Baufolge für Schönau an — errichtete man die westlichen Joche der
Kirche und führte die Wölbung des ganzen Langhauses in einem Zuge durch.
In Arnsburg steht mit dieser Baufolge in Widerspruch, daß die Mauer-
technik am Ostbau — östlichen Wohnbau —, wo ausgesprochenes Bruch-
steinmauerwerk sich findet, einen späteren Charakter trägt als die am
westlichen Teil der Kirche, wo eine sorgfältigere Schichtung durchgeführt
wurde. Ausgeschlossen wäre nicht, daß man an der Kirche absichtlich mit
Rücksicht auf die älteren Teile zu einer älteren Technik zurückgekehrt
wäre, mit der man wenigstens annähernd dem vorzüglichen Mauerwerk der
östlichen Bauteile gleichkam.
Allzugroß kann die so veranlaßte Unterbrechung des Kirchenbaues nicht
gewesen sein. Aber neue Meister und Gesellen waren eingezogen, die die
grundlegenden Gesetze der Gotik kannten und sie anwandten mit solcher
Zurückhaltung, daß die Einheitlichkeit und der Geist des Kircheninnern nicht
gestört wurde.
ZEITBESTIMMUNG DER KIRCHE NACH DEN BAUFORMEN
Folgende Punkte sind von Wichtigkeit:
1. die beabsichtigte Einführung der sechsteiligen Kreuzrippengewölbe,
2. die Einführung des Spitzbogens,
3. die Formen der Kapitelle.
Sechsteilige Kreuzrippengewölbe finden sich auf deutschem Boden
im südlichen Kreuzgangarm und im Herrenrefektorium zu Maulbronn
in der Zeit zwischen 1220 und 1225 (Mettler), in der Kirche zu Walkenried,
schiffjoch ab — also an derselben Stelle wie in Arnsburg — .die auf Pfeilervorlagen
ruhenden Rippengewölbe durch Gratgewölbe auf Konsolen ersetzt werden. H. Giesau läßt
es dahingestellt, ob eine Unterbrechung der Bautätigkeit anzunehmen ist. In Bronnbach
werden vom dritten Langhausjoch ab die Zwischensäulen durch Zwischenpfeiler ersetzt.
Noch ausgeprägter ist der Unterschied im Schwesterkloster Arnsburgs, in Schönau. Hier
war die östliche Hälfte des Langhauses ebenfalls zunächst ungewölbt geblieben — sie war
in gebundenem System gebaut —, und sie ist schließlich überhaupt nicht mehr gewölbt worden,
während der westliche Teil durchgehende gotische Traveen erhalten hat. Also eine ganz wesent-
liche Änderung, und Edelmaier nimmt mit Recht eine Unterbrechung von etwa zehnjähriger
Dauer an. Im Lügumkloster hat das östliche Joch des Langhauses Rundbogenfenster, die
drei westlichen Joche Spitzbogenfenster und Spitzbogenblenden. Dazwischen in den Oberwänden
senkrecht verlaufende Fugen, ein Beweis für eine beabsichtigte Bauunterbrechung, die mit min-
destens zehnjähriger Dauer angenommen wird. (P. Hoffmann, Nordische Zisterzienserkirchen,
Essen, 1912.) In Marienstatt wurden Chor, Querschiff und die ersten zwei Joche des Lang-
hauses einschließlich der Wölbung 1324 vollendet, während die vier westlichen J oche nicht
vor dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts ausgeführt sein können. In Eldena ist nach Fertig-
stellung der Mönchskirche etwa ein Jahrhundert vergangen, bis die Laienkirche angefügt wurde.