Kloster Arnsburg. Die Kirche. Anordnung der Ostkapellen. 59
Anhäufung von Kapellen am Ostbau der Kirche — und zwar in einer Form, die
durch geradlinige Einfachheit sich unterscheidet von ähnlichen Bildungen
nordfranzösischer Gotik — zur zisterziensischen Eigenart geworden!). Die Zahl
der Kapellen hat im Lauf der Zeit, je nachdem die Zahl der Mönche in den
einzelnen Klöstern wuchs und Privatmessen begehrt wurden, immer mehr
zugenommen. Haben die älteren Kirchen deren 4 bis 6, so bringen die jünge-
ren es auf 14, ja 17.
Vorbild für die Anordnung der Kapellen in den ältesten Zisterzienserkirchen
war die zweite Kirche in Cluny, die 981 geweiht wurde, 100 Jahre später aber
dem üppigsten Neubau Platz machen mußte. Wie nun die Zisterzienser für
ihren neuen Orden auf die durch üppiges Leben außer acht gesetzten Regeln
des heiligen Benedikt zurückgriffen, so auch in ihren Baugewohnheiten auf die
ältere zur Zeit der Ordensgründung bereits abgebrochene Hauptkirche des
Benediktinerordens, dieselbe Kirche, die schon für die Bauten der Hirsauer
Schule vorbildlich gewesen war?).
Nach dem Muster dieser zweiten Kirche von Chıny wurden die Kapellen
zunächst an das Querschiff angegliedert, und zwar im Osten an jeden
Kreuzflügel zwei Kapellen mit halbrundem Schluß, staffelförmig absetzend (la).
Dem zisterziensischen Streben nach technischer und künstlerischer Verein-
fachung entsprach es dann, wenn man die Kapellen — sei es mit geradem
oder halbrundem Schluß — in gleicher Linie endigen ließ (Ib). Je nach dem
Bedürfnis fanden eine oder zwei oder drei Kapellen an jedem Kreuzarm Platz.
In französischen Kirchen entstanden auch an der Westseite und sogar an der
Nord- und der Südseite des Querschiffes Kapellen, wofür sich auf deutschem
Boden nur im Lügumkloster ein Beispiel bietet.
Die weitere Entwickelung führte zur Anfügung von Kapellen an den Chor
unter Beibehaltung der Querschiffkapellen, und zwar bei viereckigem Chor
an allen drei Seiten des Chores (IIa), bei halbrundem Chor radial gestellt (IIb).
Außerdem kommen neben den Querschiffkapellen Kapellenreihen nur an
der Ostseite des Chores (IIc) vor und — ohne Scheidewände — nur an der
Nord- und der Südseite des Chores (IId). Letzteres ist die Regel in der ent-
wickelten Gotik, die Altäre werden dann — nur durch Schranken getrennt —
in die Seitenschiffe der Chöre gestellt.
Um zu zeigen, welche Ausbreitung jede dieser Anordnungen auf deut-
1) Eine sehr dankenswerte Zusammenstellung aller bisherigen Äußerungen über den Zweck
der Kapellen bringt Holtmeyer, Zisterzienserkitchen Thüringens, S. 65ff.
2) Dies die Ansicht von Dehio und von Ostendorf. Holtmeyer (Die Zisterzienserkirchen
Thüringens, 8. 55ff.) sagt dagegen, daß die staffelförmige Anordnung von apsidial schließenden
Kapellen, wie sie Cluny II hatte, durch die Zisterzienser grundsätzlich abgelehnt worden sei.
Der Chor von Vaux de Cernay, der ältesten Zisterzienserkirche, die diese staffelförmige Kapellen-
reihe zeigt, sei eine vorzisterziensische Gründung. In Georgenthal und anderen thüringischen
Klosterkirchen sei die staffelförmige Anordnung von den dortigen Hirsauer Klöstern, die einen
großen Einfluß besaßen, übernommen worden. — Die ganze Streitfrage ist hier, wo nicht eine
geschichtliche Entwickelung gegeben, sondern nur.eine den Vergleich erleichternde Zusammen-
stellung der Chorgrundrisse und die Häufigkeit des Vorkommens in Deutschland gezeigt werden
soll, von untergeordneter Bedeutung.