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gewesen sei, die der König mit anderem dem Kloster überlassen habe!). Allein
dieser Annahme steht entgegen, daß in dem Breviarium Lulli, dem Güterver-
zeichnis des Klosters aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts, das Hungener Gut
zwar mit 40 Huben und 28 Mansen angegeben, eine Kirche oder Kapelle aber
nicht erwähnt ist?). In der Folgezeit vergrößerte Hersfeld diesen Besitz.s6, daß
schließlich die Dörfer Hungen, Langsdorf, Villingen und die jetzt ausgegangenen
Orte Meßfelden (oder Maßfelden), Zell und Eppelnrode dazugehörten?), und das
Ganze die Hersfeldische Mark genannt wurde®). Die Aufsicht über die Güter und
die Erhebung der Einkünfte waren einem Meier anvertraut, dessen Amt (officium
villicalionis) das Kloster gegen erhebliche Summen auf Zeit und Wiederkauf ver-
pachtete. In den Jahren 1290 und 1306 erhält es Ritter Kraft v. Beldersheim aus
einer zu Hungen als Falkensteinische Vasallen angesessenen Linie dieses Ge-
schlechts. Nicht übertragen war dem Meier das Patronatsrecht der Kirche, das
Recht, Lehen und gewisse Einkünfte von 4 Pfund Heller, ‚„‚winschar‘ genannt,
zu vergeben°). Kurze Zeit darauf wird das Amt als Lehen den drei Brüdern des
Abts Andreas, den Rittern Heinrich, Hermann und Friedrich v. Heringen, über-
tragen, wiederum wiederlöslich für 100 Mark Silber, 110 Pfund fuldisch und 36 Mark
kölnisch, mit welch letzteren es von dem vorigen Inhaber zurückgekauft worden
war. Auch hier waren das Patronatsrecht, die Lehengüter und die Weinschar, die
aber jetzt 6 Pfund betrug, ausgenommen).
Die Vogtei der Hersfeldischen Mark finden wir gegen Ende des 14. Jahr-
hunderts als Lehen in der Hand Philipps VII. v. Falkenstein ?). Wir ersehen daraus,
welcher Natur das Recht der Herren von Münzenberg, von denen die Falkensteiner
u.a. das Gericht Hungen und Langsdorf geerbt hatten, an diesem Besitz gewesen
ist. Ob die Münzenberger die Vogtei mit den übrigen Arnsburger Gütern über-
kommen haben, wissen wir nicht, aber es ist sehr wohl möglich. Bei der Teilung
zwischen den Brüdern Wernher und Philipp v. Falkenstein fällt das Gericht
Hungen an den letzteren und bleibt von da an bei dessen Linie. Die Gräfin Agnes
erhält 1361 von Karl IV. die Ermächtigung, das Dorf Hungen zu einer befestigten
Stadt zu machen, mit Mauern, Gräben, Türmen und Toren, dort das Blutgericht
zu üben und einen Wochenmarkt einzurichten®). Daß dieses Recht nicht an Hers-
feld, sondern an Falkenstein verliehen wurde, beweist, daß sich aus dem Lehens-
verhältnis die Landesherrschaft ausgebildet hatte, worauf ja auch schon die
Vererbung durch Münzenberg hinweist. Trotzdem wahrte Hersfeld oberherrliche
Rechte. Noch 1345 erteilt es dem Kloster Arnsburg Erlaubnis, im Gebiet seiner
Jurisdiktion Hungen und den dazu gehörigen Dörfern 28 Mansen zu erwerben,
>) Wenck, IL. UBS. H, Nr-Sund IT UBS TIANr 13, ist, nach der Überschrift der Urkunde zu
urteilen, dieser Ansicht. Anders Böhmer-Mühlbacher.
?) Wenck II UB S. 16. Die Kirche könnte unterdessen abgebrannt sein.
?) Schaum im Repertorium des Braunfelser Archivs IV, 505f.
‘) Schaum.aa.a.O. und AUB 1061.
5) Archiv I, 288 Nr. 4. 294 Nr. 8. — Winschar ist vermutlich eine Abgabe vom Wein oder Weinbau;
schar = Einkünfte (Lexer mhd. Wb.).
°) AUB 512.
WAUB 1061.
°) Abschrift d. 14. Jahrhunderts im F. Archiv Braunfels. 1361 XII Kal. maii (April 20) Nornbers.
vusannon