Full text: Südlicher Teil ohne Arnsburg ([C, 3], Band 3)

   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
130 Hungen 
abenteuerreichen Zeit konnte die kleine Herrschaft kein ausreichendes Bethäti- 
gungsfeld sein — so hat das Städtchen doch die belebende Wirkung einer Hof- 
haltung gespürt und mancherlei Vorteile daraus gezogen. Die Solmsische Herrschaft 
hatte schon von Anbeginn an ihre Aufmerksamkeit diesem Platz zugewendet. Als 
sie ihn übernahm, war er mit einer Burg, Mauern, Graben, Pforten, Brücken U.S.w. 
wohl versehen, was alles die Bürgerschaft in gutem Zustand zu erhalten hatte. 
Die Bürger waren auch zur Stellung der Wachen und zu Frohndiensten bei einem 
etwaigen Burg- oder Schloßbau verpflichtet!). Solche Dienste mag sie bei dem Bau 
der Jahre 1454—1456 geleistet haben. Diese gewiß nicht leichten Lasten wurden 
im Lauf der Zeit gemildert, und das Mittel dazu bot der Weinschank. Aus dem 
Weinmonopol zogen die Städte ehemals gute Einnahmen. Hungen erhielt es 1461 
von Graf Otto zugleich mit dem Weggeld auf zehn Jahre, mußte aber jährlich 
noch 100 Gulden über die gewöhnlichen Leistungen hinaus am Schloß verbauen?). 
Vermutlich wurde diese Übertragung immer wieder erneuert, bis im Jahre 1581 
Graf Konrad mit der Stadt ein neues Abkommen traf. Danach sollte die Stadt 
zu mehr Diensten, als zum Burgbau nötig, nicht herangezogen werden und über- 
haupt nicht mehr zu leisten haben, als die Städte Lich und Laubach ihren Herr- 
schaften. Dafür wird ihr der Weinschank für alle Zeiten überlassen. Der daraus 
entspringende Nutzen soll zum Besten der Stadt verwendet werden?). Aber Graf 
Otto d. J. zog 1608 das Privilegium wieder an sich, indem er zugleich die Ver- 
pflichtung, die Stadtbauten in gutem Zustand zu erhalten, von der Bürgerschaft 
übernahm‘). Für ihren Betrieb hatte die Stadt ein Weinhaus gebaut. Auch dieses 
übernahm der Graf noch wenige Tage vor seinem Tode und mit ihm die städtischen 
Verpflichtungen gegenüber den Kirchen zu Münzenberg, Lich und Hungen im 
Betrage von 603 Mark KapitaP>). 
“ine weitere Förderung bedeutete das Marktprivilegium, das Kaiser Max I. 
im Jahre 1494 dem damaligen Grafen Otto für Hungen verliehen hatte®). Handel 
und Gewerbe konnten gedeihen, und der Wohlstand der Bewohner hob sich”). 
Ein Zeichen dieses Fortschritts ist die Blüte des Schützenwesens, das schon 1512 
seine Anfänge in den Armbrüstern zeigt; 1590 sind es Büchsenschützen, später 
geführt von Leutnant und Wachtmeister. Noch heute bewahrt die Stadt ein 
zierlich gearbeitetes Schützenkleinod. 
Ein altes, auch aus der Zeit der Renaissance stammendes Rathaus ist längst 
abgebrochen. Es war, wie uns eine von dem Braunfelsischen Archivar Schaum?) 
aufbewahrte Inschrift (s. u.) mitteilt, auf Kosten des Johannes Aemilii von Meister 
!) Urkunde Werners v. Falkenstein, Erzbischofs v. Trier, 1410 Juli 19 Lich. Abschrift d. 17. Jahr- 
hunderts im Archiv zu Braunfels. — Die Stadt hat nach ihr außerdem 220 Gulden Bede zu zahlen und 
ist der Landfolge unterworfen. 
?) Or.-Entwurf im F. Archiv zu Braunfels. 
°) Abschrift ebenda. Einige einschränkende Bedingungen sind: der Herren- oder Bannwein soll beim 
Stadtwirt eingelegt und verzapft werden; von jedem Fuder fremder Weine sind 2 Gulden an die Herrschaft 
zu zahlen; der Rat soll auf guten Wein halten und billig verkaufen; jeder Bürger darf Wein verzapfen, 
muß ihn aber vom Stadtwirt beziehen. 
4) Abschrift im Archiv Braunfels. 
°) Amtsprotokoll v. 1610. Ebendort. 
©) R. Graf Solms, a.a. ©. S. 49 
”) Stadtrechnungen, aus denen Kellnerin den Quartalblättern 1885 Nr. 2f. einige Mitteilungen macht. 
‘) Im Repertorium des Braunfelser Archivs. IV, 9720f. 
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
     
    
  
     
	        
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