206 Leihgestern
Leihgestern entdeckten fränkischen Frauensärge aus Holz, die sich jetzt im Ober-
hessischen Museum in Gießen befinden. H.
Die Schreibung des Namens in den Urkunden ist so mannigfaltig, wie bei
kaum einem anderen Ort. Es gibt fast soviel verschiedene Formen als Urkunden,
in denen der Name vorkommt. Im Codex Laureshamensis erscheint er um die
Wende des 8. Jahrhunderts als Leitkestre, Letkestre, Leitcastre, Leizkestre, Leiz-
gestre, Leizcastrot). Leizgestre heißt er auch im 8.—10. Jahrhundert in einer
Fuldaer Schenkung?). 1145—1150 Leikestre, 1150 Leikestere, 1237 Legesteren,
1248 Leykestrin und Lekestrin, 1250 Leikestern, 1271 Leithgesterin, 1275 Leit-
kesteren, 1276 Leykesteren, 1290—1320 Leitgesteren und Letgesteren, 1310 Leyt-
geisterin, 1312 Leicgestrin, 1346 Leyschgeysteryn, 1357 Leykestirn, 1474 Ley-
kesteren, 1638 Leydgestern u. ä.°).
Die Gauzugehörigkeit des Ortes ist bekannt, er gehört mit dem Hüttenberg
in den Teil des Lahngaues, der das Dekanat Wetzlar umfaßt. In Lorscher Urkunden
aus den Jahren 805, 823 und 824 wird eine Leihgesterner Mark (in Letkestre,
Leitcastre marca) genannt. Hierunter ist nur die Dorfmark zu verstehen, deren
Wald später einen Bestandteil der großen Lindener Mark bildete?®).
Hiermit sind auch die Herrschafts- und Gerichtsverhältnisse gegeben. Das
zuständige Gericht war das Lindener. Im Jahre 1275 verfügte Macharius v. Linden
über sein Gericht in Großen Linden mit zwei dazugehörigen Zehnten dort und
in Leihgestern?).
Interessant ist die Kirchengeschichte des Dorfes, obgleich uns für die Zeit
vor der Reformation genauere Nachrichten fehlen. Daß Leihgestern als hütten-
bergisches und zu der Lindermark gehöriges Dorf mit der alten Mutterkirche in
Großenlinden in inniger Verbindung gestanden hat, läßt sich nach den vielfachen
Beziehungen, die von ihm dorthin laufen, nicht wohl bezweifeln. Namentlich sind
hier die Einträge im Pfarrsalbuche von 1569 beweiskräftig, nach denen die Pfarrei
Großenlinden alten Länderbesitz und Einkünfte in Leihgestern hatte, wofür sie
die dortige Kapelle versehen mußte®). Allein in diesem Verhältnis ist schon sehr
frühe eine Änderung eingetreten. Die Kapelle wird uns nämlich zum erstenmal
in einer Urkunde vom Jahre 12377) genannt, und zwar in Verbindung mit einem
Streit zwischen der Pfarrgemeinde Leihgestern und dem Kloster Schiffenberg
über eine den Schiffenbergern offenbar sehr wertvolle Weide. In dem Abkommen,
das in der genannten Urkunde getroffen wird, verpflichtet sich das Kloster,
dreimal wöchentlich in der Kapelle des Dorfes Gottesdienst halten zu lassen, und
1) Cod. Laur. III, 3128. 3724. — 3130. 3725. — II, 624. III, 3767. — 3132. 3731, und die Citate
bei Hülsen, Besitz. d. Kl. Lorsch S. 94.
2) Trad. et ant. Fuld. ed. Dronke p. 37 Nr. 67.
3) Vgl. die Register zu Baur, hess. Urk., Arnsb. UB., Wyß III, wo die zuverlässigsten Lesarten
zu finden sind, und Scriba’s Regesten.
4) s. bei Großenlinden.
5) Baur, Hess. Urk. I, 145: .. .. aliam partem prefati judieii cum duabus decimis in Lynden et in
Leitkesteren”. .:
6) Hepdingin MOHGV. 10, 70ft.
”) Wyß III, 1348.