Leihgestern 209
heute noch vorhandene Neuhof, 20 Minuten südlich des Dorfes, entstanden. Für
ihn und für seinen anderen Hof, den es angeblich von der Stifterin Clementia
erhalten hatte, beanspruchte das Kloster das Recht, an einem beliebigen Tag vor
der Gemeinde zu ernten, einen Feldschützen zu bestellen, und das Recht eines
Mitmärkers. Zur Stütze dieser Forderung bediente es sich einer gefälschten Ur-
kunde mit Datum vom 25. Juli 12351) und hat vermutlich auch den gewollten
Erfolg gehabt, denn nach späteren Zeugenaussagen haben die Landsiedel des
Neuhofs wenigstens die Nutzungen der Mark genossen. Um dieselben Rechte dreht
sich ein Prozeß, den 1343 und 1356 die Kommende Schiffenberg mit den Märkern
führt, die ihr die Vorrechte bestritten hatten. Die Angelegenheit wurde durch
einen Schiedsspruch von Mannen und Burgmannen des Grafen Johann v. Nassau-
Merenberg unter dem Vorsitz des Amtmanns Johann v. Michelbach auf Grund
jener Fälschung in einer Tagung zu Gleiberg am 2. Januar 1356 zu Gunsten der
Herren vom Schiffenberg entschieden. Doch kam der Streit nicht zur Ruhe, er
setzte sich bis gegen das Ende des 17. Jahrhunderts fort?). E.
Spuren einer Befestigung sind durch die Ausdehnung des Ortes vollkommen
verwischt.
Ein älteres Schiff wurde 1906 niedergelegt, nachdem am 31. Mai des-
selben Jahres ein Unwetter das Dach abgehoben hatte, wodurch Decke, Orgel,
Emporen und Gestühl stark beschädigt, zum Teil ganz zertrümmert wurden.
Dieses Schiff, 16 m lang, 8,5 m breit, stammte noch aus romanischer Zeit. Bei dem
Abb. 165. Kirche. Grundriß vor 1906.
Abbruch fand man in der Nordmauer vier kleine vermauerte Rundbogenfenster.
Sie werden zu der 1237 erwähnten Kapelle gehört haben. Der Turm gehört aber
in seinen jetzigen Formen dem 16. Jhdt. an. Der Helm des Turmes wurde 1595
(Baurechnungen von 1598) fertig gestellt. 1692 fand ein Umbau des Schiffes statt,
die Kirche erhielt ein hölzernes Tonnengewölbe mit Rippen. Die spitzbogige Aus-
nischung über dem Triumphbogen entspricht der Form dieses Gewölbes. Bei Er-
richtung des Turmes vor 1595 muß also der gleiche Querschnitt wie der des
ı) Wyß III, 1347, und S. 449f. $ 28.
?) Ludwig Strack, Leihgestern. Gießen 1908 S. 8.
®) Ludwig Strack, Leihgestern, Altes und Neues zur Geschichte des Dorfes. Gießen 1908.
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Befesti-
gung
Kirche
Bauge-
schichte?)
IISRUHZE