Lich
Das Schöffenkollegium setzte sich aus angesehenen Bürgern des Ortes
zusammen; unter ihnen wird schon 1247 ein Handwerker genannt, der gewiß
nicht der einzige geblieben ist. Im 14. Jahrhundert ist dann das Auftreten des
Handwerks in den Schöffenreihen die Regel. In einer Urkunde vom Jahre 1315
findet sich ein Adliger: Cunradus armiger de Alpach!). Die Zahl der Schöffen
steht, wie an vielen anderen Orten, nicht fest, da offenbar nicht alle Schöffen
als Zeugen einer vor Gericht bekundeten Handlung aufgeführt werden. Soviel
ich sehe, ist neun die höchste vorkommende Zahl2).
Gemeinsam mit den Schöffen im Gericht sitzen gelegentlich die Burg-
mannen und bezeugen gemeinsam mit ihnen und dem Schultheiß gerichtliche
Akte (nos scultetus, casirenses et scabini 1318)?). Sie treten erst unter den Falken-
steinern auf, die vermutlich die Erbauer der Burg in Lich sind; die alte hagen-
münzenbergische Feste Lichs war die ganz nahe bei der Stadt gelegene Burg
Warnsberg. Ihrer Herkunft nach gehören die Burgmannen meist dem niederen
Adel der Wetterau, auch dem der weiteren Nachbarschaft an: Mengot von Hom-
berg, Mengot von Westwich und Rudolf von Rodenscheit 1306, Dammo Meisen-
bug 1318, Guntram Kesselring 1360, Kuno von Rodenhausen 1361, Johann
von Hatzfeld 1380. In solmsischer Zeit begegnen Namen wie v. Rehe, v. Uhrhan
u.a. m., deren Häuser teilweise noch heute nachweisbar sind.
Die städtischen Angelegenheiten wurden ebenfalls von den Schöffen verwaltet,
jedoch wirkte hierbei der Schultheiß nicht mit. Am Anfang des 14. Jahrhunderts,
also unmittelbar nach der Verleihung der Stadtrechte an Lich, urkunden in
Gemeindeangelegenheiten Schöffen und gesamte Bürgerschaft), und im Jahre 1348
sind es die Schöffen allein, die in der Stiftskirche Kerzen aufstellen?). Es könnte
demnach scheinen, als habe es damals noch keinen Bürgermeister gegeben.
Indessen hatte sich die Stadtverfassung doch so entwickelt, daß im Jahre 1350
zwei Bürgermeister erscheinen®) und fortan nachzuweisen sind”). Gleichzeitig tritt
als weiterer Faktor der Verwaltung der Rat hinzu, entweder als Erweiterung des
Schöffenkollegiums oder als selbständige Körperschaft®).
Mit der Erwerbung des Stadtrechts erhielt die Stadt ein eigenes Siegel.
Es findet sich zum ersten Male erwähnt im Jahre 1306°). Wyß10) beschreibt es
!) AUB 444. Die an einer einzigen Stelle (AUB 546) vorkommende Bezeichnung scabini meliores
ist mißverstanden, da Unterschiede zwischen den einzelnen Schöffen nicht gemacht werden. Hier ist
im Druck das Komma an die falsche Stelle gesetzt, so daß es richtig heißen muß: nos scabini, meliores
totaque universitas opidi in Lyche. Meliores sind dann die hervorragenden Bürger, proceres. Die Stelle
bleibt wegen der für unsere Gegend ungewöhnlichen Anführung der Patrizier bemerkenswert.
?) Baur, hess. Urk. I, 1299. Mit dem daneben aufgeführten villicus und dem Centgrafen, der wohl
unter dem Wigandus Zendegericht zu verstehen ist, wären es elf.
®») AUB 483. Aus dem Vergleich dieser Urkunde mit den beiden bei Baur, hess. Urk. 1322 u. Note,
wo die Burgmannen nicht genannt sind, scheint hervorzugehen, daß sie nur dann miturkundeten, wenn
Licher Verhältnisse in Frage kamen.
!) 1316: nos scabini totaque universitas, 1318: nos scabini et oppidani. MOHGV. I, 115£. Nr. 1. 2.
>) A.a.0O. Nr. 3. In dem nur im Regest bekannten Verzicht des Marienstifts auf Rechte in Kolnhausen
(Allerunterth. Supplica i. S. Closter Arnsburg c. Solms Beil. S. 126 Nr. 8) urkunden Stift, Schultheiß,
Schöffen und Bürger gemeinlich. Man wird annehmen müssen, daß, da es sich um eine Angelegenheit des
Stifts handelt, Schöffen und Bürger als Mitverwalter des Stiftsvermögens, und der Schultheiß als Ver-
treter der Herrschaft, die das Patronat innehatte, nicht aber als Vorsitzender der Schöffen, beteiligt sind.
°) Reimer III,4,
2,2. B. MOHGV. 5 S. LITER Nr. 610, 12. 16:
$) 1368: die burgermeister, die scheffin unde den rat u.s.w. A.a.0O. Nr. 6.
°») AUB 343.
10) II, 653 Zus. — Vgl. Günther im Archiv III Nr. XI. S. 61ff., woselbst auch eine Abbildung.