Conrady: Wandgemälde — Beschreibung — Stoffe 83
wenig abgeneigt, daß z. B. der Kampf auf der Brücke drei-,') das Attentat
des K’ing K’o sogar viermal?) in den verschiedenen Kammern (,„Opferhallen“)
ihres Begräbnisses vertreten ist; ja es werden selbst, wie im T’ien-wen, ganze
Gruppen von Bildern wiederholt. >)
Das ist nun aber — und damit komme ich auf einen dritten Beweis für
die These — das ist nicht die einzige Ähnlichkeit zwischen beiden Werken;
es gesellt sich vielmehr der äußeren auch noch eine tiefgehende innere Über-
einstimmung zu. Denn eine Prüfung ihres Inhalts lehrt, daß sie eine ganze
Anzahl auch der Stoffe gemein haben: die alten Halbgötter, Kaiser oder
Fürsten Fuh-hi mit den Drachen- und Nü-kua mit dem Schlangenleib, Yao,
Shun, Yü, Hou Tsih, den schlimmen Kieh, Ho-lü von Wu, Huan von Tri,
dann aus der Mythologie den Hasen im Monde, den Windgott, von Fabel-
wesen die Riesen, und dazu eine Reihe seltsamer Pflanzen uud Tiere — dies
und vielleicht manches andere noch, auf das wir bloß die Hand nicht legen
können, ist hier so gut wie dort zu finden. Und was vielleicht noch
schwerer in die Wagschale fällt, der Wahl der Stoffe liegt hier wie dort
dasselbe Prinzip zugrunde, auch wo es dem Fortgang der Geschichte
und dem Wechsel der Anschauungen entsprechend mit verschiedenen Mitteln
durchgeführt ist: beide sind bemüht, ein Bild des Alls mit seinen Wundern
und in Beispielen von gerechter Erhöhung und gerechtem Fall, von Guten
und Bösen beiderlei Geschlechts besonders auch die Lehren der Geschichte
einzuprägen.
Auch andere Skulpturen und Gemälde aus Palästen und Grabtempeln der-
selben oder früherer Zeit bis in das 2. Jahrhundert v. Chr. hinauf bewegen
sich mehr oder minder in diesem Gedankenkreise, wie das Chavannes (l.c.) ge-
zeigt hat, dessen Material ich noch um die doch wenigstens für das 2. Jahr-
hundert v. Chr. gültige Nachricht Huai-nan-tz’e’s*) von den Schildereien in
der Ehrenhalle (ming-Pang) der ersten Chou-Könige mit ihrer Darstellung
„der Ursachen von Yaos und Shuns Ruhme und Kiehs und Chous Unter-
sang“ u. dgl. vermehren kann; weitaus am vollständigsten aber ist jenes
Prinzip in den ältesten von ihnen, den Schnitzereien und Gemälden des um |
140 v. Chr. erbauten Ling-kuang-Palastes durchgeführt, deren Beschreibung In
uns der Sohn des oben genannten T’ien-wen-Interpreten Wang Yih, Wang I
Wen-k’ao, in seinem unschätzbaren Loblied auf diesen Fürstensitz um etwa
drei Jahrhunderte später, jedoch nach Autopsie gegeben hat. Denn danach
waren dort in Farben abgebildet, jedes nach seiner Gestalt, „die Arten und
Scharen der Wesen im Himmel und auf Erden, die verschiedensten Dinge
und seltsamsten Wunder, die Götter der Berge und die Geister der Meere,‘
und man sah die ganze Weltgeschichte von der (wohl ebenfalls dargestellten)
Schöpfung an: die „Fünf Drachen“ und den neunköpfigen ‚„Menschenherrscher‘“,
Fuh-hi mit seinem Schuppenleib und Nü-kua mit dem Schlangenkörper, dazu
1) S. Chavannes, La sculpture sur pierre ete., Taf. XIII, XXXIV und 10. Stein
d. Vorderzimmer.
2) L. ec. Taf. III, XVI, XXIV, 8. Stein d. Vorderzimmer.
3) L. c. Taf. XIV, V (Poh-yu, Lao-lai-tze, Min Tsi-K’ien); Taf. IIL, XIV (Gerechte
Gattin, Hing K’ü); Taf. V, X, XX (ho-huan, Pavillon u. s. w.).
4) Huai-nan-tze 9, 24a. Vgl. die bekannte Stelle des Kia-yü (2, 2a, die auch das
Shuoh-yian 10, }2b auszieht), wo eine ähnliche und noch ausführlichere Angabe dem Kon-
fuzius in den Mund gelegt wird. Übrigens mag diese hartnäckige Tradition auch auf
etwas ältere Zeit als das 2. Jahrhundert v. Chr. hinweisen. — Auch die Skulpturen des
K’i-mu-miao (um ca. 123 n. Chr.) enthielten neben anderen Seltsamkeiten wenigstens den
Hasen im Monde: Kin-sbih-ts’ui-p’ien. 6, 5b.