Conrady: Illustrationen — Hausschmuck — Grabschmuck 87
mehren lassen, wenn ich auch aus unsicheren, apokryphen und späteren Quellen
hätte schöpfen wollen. Denn die fließen hier reichlich. So weiß z. B. das
Kia-yü von einer Bildsäule, die Konfuzius in einem alten Chou-Tempel sah,!)
und das Si-king-tsah-ki von einer ganzen Legion von Menschen- und Tier-
figuren aus Stein oder Bronze zu berichten, die man in Gräbern des 7. bzw.
4. Jahrhunderts v. Chr. gefunden habe;?2) im Hua-yang-kuoh-chi wird die
bekannte Sage von den steinernen Rindern mitgeteilt, durch welche sich Ts’in
im 4. Jahrhundert v. Chr. den Weg nach Sze-chuan erlistete;?) das Wu-tu-fu
singt von Götter- und Heiligengemälden im Palaste des alten Fu-ch’ai von Wu
(494--472),*) und Pao-poh-tze will uns nach einem Werk aus jenem Grabe von
Kih gar glauben machen, das Gefolge des mythischen Huang-ti habe ihn nach
seinem Tode durch ein hölzernes Bild verewigt?) u. s. w., u. s. w.
Allein „man muß die Stimmen wägen und nicht zählen“. So gewiß auch
meines Erachtens viel gute, echte, zutrauenswerte Überlieferung in diesen und
anderen dergleichen Werken steckt, ihre Beweiskraft wird doch entweder durch
ihre sonstige Lust am Fabulieren oder durch den großen Zeitunterschied be-
einträchtigt, der ihren Verfasser wenigstens dem Verdacht aussetzt, mit der
Brille des eigenen Jahrhunderts gesehen zu haben. Daher sind denn hier nur
solche Werke berücksichtigt worden, die aus dem fraglichen Zeitraum selber
stammen und gegen deren Echtheit kein begründeter Einwand erhoben werden
kann,®) und auch ihre Nachrichten habe ich noch so weit gesichtet, daß ich
alle Angaben von zweifelhafter Interpretation ausgeschaltet habe.”) Auf Grund
dieses authentischen und in der Regel sogar gleichzeitigen Materials glaube
ich denn mit einigem Fug behaupten zu dürfen, wie ich eingangs getan, dab
man die Menschen- und Tiergestalt schon vor der Ts’in-Periode frei nach-
gebildet habe.
Aber man wird dabei allerdings vielleicht zwei verschiedene und verschieden
alte Strömungen unterscheiden müssen. Die eine ältere, ja uralte, war durchaus
plastisch, wie es scheint; sie formte rohe Einzelfiguren, die, zunächst wohl
nur eine Befriedigung des künstlerischen Spieltriebes, dann — bis in späte
Tage hinein — zu rituellen und Zauberzwecken verwendet wurden. Es mögen
gewiß recht primitive Gebilde gewesen sein, die sie schuf, aber in das Gebiet
der Kunst gehören sie ohne Zweifel, so gut wie jene japanischen Grabfiguren
(haniwa oder tatemono), die anscheinend nur die erwähnten chinesischen
1) Kia-yü 2, 2a. Vgl. Shuoh-yüan 10,12b, Legge, Chin. class. introd. 66, Jih-chi-luh 21,
37b u.s.w.
2) Si-king-tsah-ki 6, 2a—3b. Vgl. de Groot, Relig. system of China II, 397/8, 811
(wo noch eine andere derartige Notiz).
3) Han-Wei-tsung-shu 6, 5b. Cf. Rosthorn, Die Ausbreitung der chinesischen
Macht u. s. w., 8. 28.
#) Wen-süan 5, 18b.
5) Kin-shih-ts’ui-p’ien 5, 3b.
6) Die einzige Ausnahme bildet der Bericht des Tsin-shu, der im 7. Jahrhundert,
aber in diesem Teile deutlich nach einer Quelle des 3. Jahrhunderts n. Chr, abgefaßt ist,
Allein es ist insofern dennoch gleichzeitig, als das betreffende Grab eben erst 280 (281)
n. Chr. eröffnet worden ist.
7) So die Bemerkung des Konfuzius über das Auflegen der Farben, das erst dem
Grundieren folge: Lun-yü III, 8, 1 (Chin. class. 1. 157)... Vgl. Shi-Kingsl, 5, IE, 2; das
„Zelt mit den Tigerbildern“ (Legge: „paintings of tigers“) des Tso-chuan: Chin. class. V,
848/9; die mit Tierbildern „bemalten“ Gewänder, die das Ng-li (K. 5) und das Chou-li
(11, 28b: Biot II, 514) erwähnen, welch letzteres hier übrigens mit Konfuzius obigem
Passus fast wörtlich übereinstimmt. Sie alle werden sich wohl eher auf Stickereien be-
ziehen; vgl. Chou-li K.7: Biot I, 161.