Hanzeit — Griechisch-römischer Stil
nachahmen;!) und jedenfalls sind sie von großer Bedeutung deshalb, weil sie
(und speziell die ‚Tiertöpfe“) auch für China die Priorität der freien Plastik
vor der später so allmächtig herrschenden Ornamentik vermuten lassen.
Die andere Richtung dagegen ist bewußte Kunst, die, wenn auch mit
didaktischer Nebenabsicht, wie alle Kunst in China, doch schließlich um ihrer
selber und um des Schmuckes willen geübt wird; sie bedient sich im Gegensatz
zu jener auch des Pinsels, und ein noch größerer Unterschied ist, daß sie
mehrere Figuren zu einer Gruppe zusammenfaßt, daß sie die Szene, die Handlung
darstellt. Auch dies zwar noch in kindlich unbeholfener Weise, wie sie wohl
überall die Anfangsstufe charakterisiert; denn während die Komposition der
Wu-Reliefs mit dramatischer Geschlossenheit nur den Kern- und Schlußpunkt,
die Pointe eines Vorgangs wiedergibt,?) wird er in der Vorlage des T’ien-wen
episch breit in eine Reihe von Episoden und Folgeszenen aufgelöst, aus deren
Nebeneinander sich mitunter wohl erst, gewissermaßen als Lösung des Rebus,
die Bedeutung des Ganzen ergab. Aber es liegt doch unleugbar ein ganz
erheblicher Fortschritt gegen jene darin.
Diese Richtung ist nun erst seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. beglaubigt,
und man wird vielleicht schon hieraus schließen dürfen, daß sie auch damals
erst aufgekommen ist. Aber außerdem: wie trefillich fügt sie sich in das
Bild dieses Zeitraums ein, wo sich auf allen Gebieten umwälzend Neues rührt
und regt, wo gerade auch in den Schwesterkünsten — den redenden — als
ein zuvor fast unbekanntes Element und jedenfalls zum ersten Male so über-
raschend kühn gehandhabt, die Personifizierung auftritt, die selbst vor dem
nackten Begriffe nicht zurückschreckt, und wo die Dichtung ganz gebrochen
hat mit dem echten Ornamentstil der vorigen Epoche, in dem sich, un-
weigerlich fast, ein schwach variierter Kehrreim um die Strophen schlang, wie
) um die Gefäße das Ornamentband — kurz, wo die Fesseln des Konventio-
nalismus überall gefallen sind! Die neue Zeit verlangte und schuf sich auch
eine neue Kunst.
Nun spricht aber alles dafür, daß diese Epoche — und eben das erklärt
ihren Charakter mit — durchaus im Zeichen fremden und zwar vornehmlich
indischen Einflusses gestanden hat,?) eines Einflusses, der sich nicht zuletzt
auch als Propaganda (in diesem Falle anscheinend für das Sämkhya-Yoga-
System, den Vorläufer des Buddhismus) äußerte; und wir wissen auch, daß
später die buddhistische Propaganda als wirksamstes Werbemittel ihre bildende
Kunst verwendet hat. Nehmen wir nun noch hinzu, daß im T’ien-wen zum
wenigsten ein zweifellos indischer Stoff behandelt ist: der Hase im
Monde nämlich,*) der hier zum ersten Male in China begegnet, während er
zum alten Märchenschatze der Inder gehört,?) und daß wahrscheinlich auch
noch die elefantenfressende Schlange, die Schildkröte, welche den Berg (oder
die seligen Inseln) trägt, der Drachen- bzw. Krokodilritt des Bären ®) und
1) Sollten nicht auch (nebenbei bemerkt) die haniwa in Form von Strohbündeln,
in denen 7'suboö (Hansei Zasshi XII, 4. Heft, S.19) die Nachbildung einer Hecke ver-
mutet, die altchinesischen Strohfiguren imitiert haben ?
?) Vgl. z.B. Tafel III in Chavannes, La sculpture sur pierre etc.
3) Für Näheres vgl. meinen Aufsatz „Indischer Einfluß in China“ u.s. w. (Zeitschrift
der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 60, 8. 335—51).
4) Ts’u-tz’e 3, 3a.
- ‘) Das Märchen, dem der Mond den Beinamen cacin „der Hasenversehene“ dankt,
wird in den Jätakas erzählt, und solche waren nach Macdonnell schon 380 v. Chr. in
Indien bekannt; sie sind aber dem Kerne nach wohl noch viel älter,
6, Psiut2e ss, 5b, Tb.