Südlicher Stil
Lolos, Miautze und Manbarbaren
Die Expansion Chinas brachte eine weitere, allerdings gegenüber dem west-
lichen Einfluß nicht sehr bedeutende Befruchtung aus dem Süden. Die Manbarbaren
bewohnten zur Chouzeit (1122—249 v. Chr.) gewaltige Teile des heutigen chine-
sischen Reiches und wurden von den Chinesen immer mehr nach dem Süden
gedrängt. In den Zeiten der ältesten chinesischen Annalen saßen sie noch an
beiden Seiten des Yangtsekiang. Sie scheinen ihrerseits viel ältere Bevölkerungen
Südchinas, die Lolos!) und die Miautze, in unzugängliche Gebirgsgegenden und
nach Formosa vertrieben zu haben, wo sie zum Teil ihre eigenen Sitten und durch
die Schwierigkeiten des Terrains auch besondere politische Freiheiten sich bewahrt
haben. Von den Lolos sollen heute etwa 18 000 Einwohner in Yünnan leben. Sie
haben eigene Manuskripte und nennen sich die ältesten Einwohner, aber eine eigene
Kunst haben sie nicht.
Die Miautze sind zahlreicher und behielten innerhalb des chinesischen Reiches
eine so unabhängige Stellung, daß (1775) Kaiser Kienlung sie in ihren schwer zu-
gänglichen Bergen von Szechuan bekriegen mußte. In moderner Zeit hat der Japaner
Ryuzu Torii die Kultur dieser noch heute sich völlig reserviert haltenden Stämme
untersucht. ?) Eine Reihe von Stoffmustern haben sich gefunden, die im übrigen
China nicht vorkommen. Es wird noch heute dort die ‚„‚Batik-Technik“ geübt, die in
Japan seit dem 7. Jahrhundert (Abb. 78,79) vergessen ist, dagegen in Java noch heute
allgemein angewendet wird. Was von besonderer Bedeutung erscheint, ist die Rassen-
ähnlichkeit zwischen der Miautzebevölkerung und den Japanern, so daß Auswande-
rungen nach Japan in der vorchinesischen Zeit angenommen werden können, falls
nicht überhaupt die Urheimat der eigentlichen Japaner, der Begleiter von Jimmu
Tenno, dem Ahnherrn des heutigen Kaisers, in dem alten Sitz der Miautze in
Südchina gefunden werden sollte. Auch die Tracht?) mit Beinkleidern und herz-
förmigem Halsausschnitt des langen Obergewandes sowie der Schopf auf dem
Kopfe entsprechen der alten, japanischen Sitte.
Diese neuen Entdeckungen unterstützen meine schon früher ausgesprochene
Vermutung, daß die ältesten, vorchinesischen Glocken in Japan eine Art Bronzegeld
gewesen waren, das von den kupferreichen Bronzestaaten Südchinas eingeführt worden
!) H.Cordier, Les Lolos, Etat actuel de la question. T’oung-Pao, 1907, Ser. II,
vol. VIIL, Nr.5. — M.@. Deveria, Les Lolos et les Miao-tze. A propos d’une brochure
de M. P. Vial, missionaire apostolique du Yun-nan. Extrait du journal asiatique,
Paris 1891.
?) Ryuzu Torii, Artistic desiens used by the Miao Tze tribe, Kokkä, Heft 186, 187
— und Ryuzu Torii, Anthropological Society Tokyo, 1908. Japanisches Werk über seine
Studien bei den Miautze-Stämmen mit vielen Abbildungen.
3) Abbildungen von Miautze bei Musik und im Hausleben, in Bushell, Chinese
art, Bd. II, Abb. 133 und 134. |