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Löwen auf Reliefs, Spiegel, Töpfereien — Buddhistischer Löwe 105
fliegendem Galopp als Motiv des mittelasiatischen Mischstiles ansehen, wie er
wahrscheinlich aus der mykenischen Kunst!) übernommen ist. Ein Prä-Hanlöwe
ist bis jetzt nirgends gefunden; auf den Bronzen der Chouzeit fehlt er.
Eine ganz andere Bedeutung wurde dem Löwenbilde beigelegt, als es mit
dem Buddhismus zugleich aus Indien nach China kam. Aus einem — mit Aus-
nahme des römischen Löwen am Grabmal der Familie Wu — an die Fläche ge-
bundenen Dekorationsmotive wurde ein selbständiges, bedeutungsvolles Kunstwerk.
Nicht mehr wird das galoppierende Jagdtier dargestellt, sondern in bedeutungs-
voller Symbolik sitzt oder steht das heilige Tier in beschaulicher Ruhe. Im
allgemeinen wird die indische Stilisierung beibehalten, aber es gibt auch phan-
tastische Ausführungen, die einen westlichen, orientalischen Einfluß erkennen
lassen. Löwen sind bis zur Neuzeit niemals realistisch abgebildet, obgleich
wiederholt lebende Tiere nach China kamen. Daher kann es nicht wundern,
daß der chinesische Priester Sung Yun (518) überrascht war, als er am Hafen
zu Gandhara zwei junge Löwen lebendig sah und sie den in China allgemein
verbreiteten Bildern von Löwen nicht im geringsten ähnlich fand. a
Der Löwe ist in China ausschließlich ein symbolisches Tier, das in seinen
ursprünglich eingeführten, stilisierten Formen stets wiederholt wurde. Die in
ältester Zeit vorkommende Darstellung als Jagdtier wird in buddhistischer Zeit
völlig vergessen.
Zusammenfassung
Fremdländische Darstellungen von Tiergestalten werden
verständnislos, ohne Kenntnis der natürlichen Vorbilder nach
den Kopien immer wieder kopiert, bis ein sinnloses Ornament
entstand, das symbolische Bedeutung erhielt. Die einmal ent-
standene Form blieb an die Technik und an die Art der An
wendung zur Zeit ihrer erstmaligen Einführung gebunden.
Zur Zeit einer späteren, mehr naturalistischen Kunst-
strömung verschmelzen große Meister der Malerei die ver-
schiedenen Traditionen zu neuen Gestalten unter Anlehnung
an Vorbilder in der Natur, die gleichzeitig in Beziehung gesetzt
werden, mit den Phantasiegestalten der Sage und Philosophie.
1) Abbildung in Münsterberg, Japanische Kunstgeschichte, Bd. III; 8. 216,
2) Yule, The book of Ser Marco Polo, 2. Aufl., London 1903, Bd. 0787399.