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Abb. 85 Buddha, Kolossalstatue, aus dem Felsen gehauen,
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Buddhismus — Gräko-indische Kunst — Steinreliefs 127
Vom Norden drangen ju-
sendkräftige Völker wiederholt
in Indien ein und errichteten
eigene Königreiche. Die Indo-
skythen wurden die Erben des
baktrischen Reiches, das unter
griechischen Königen auf den
Trümmern des Weltreiches Ale-
xanders des Großen entstanden
war, und es begannen jene
Völkerschiebungen in Mittel-
asien, die zu immer neuen, selb-
ständigen Staatengründungen
führten. Indien wurde vom
Westen durch die zwischenge-
schobenen Völker völlig getrennt,
während China in der Hanzeit
durch die benachbarten Völker
Höhlentempel bei Tatong, in Shansi, Nordweidynastie, 5. Jahrh. von Mittelasien in den Welt-
(Aus: Chavannes, Voyage archöologique dans la Chine septen- ae
verkehr hineingezogen wurde.
trionale, 1909) — Text s. S. 129
War zuerst der dekorative
mittelasiatische Mischstil nach China gedrungen, dann der architektonische und figu-
rale römische Kolonialstil, so folgte jetzt der sogenannte gräko-indische Kult-
stil des Buddhismus. Im Norden von Indien, in Gandhara,!) entstand im 1. Jahr-
hundert n.Chr., in Anlehnung an die
klassische Antike, aber in völlig eigenem
Stile, die nordbuddhistische Kunst.
Unter persischem Einfluß waren
im alten Indien die Flächen in Holz,
dann nachgeschnitten in Stein, mit
reichen, aber kleinlichen Reliefs
vollständig überzogen. Zwischen den
orientalischen Ornamenten und Fabel-
tieren wurden die verschiedensten Be-
gebenheiten durch zahlreiche typische
Menschenfiguren in naivem Durchein-
ander dargestellt. Noch fehlte die In-
dividualisierung der Persönlichkeiten.
Nur durch Attribute und Symbole
konnte eine Erklärung für die einzelne
Darstellung gegeben werden.
Erst in Gandhara wurde Gotama
Buddha nach dem Bilde klassischer
Statuen als Einzelfigur dargestellt. Kein
1) Grünwedel, Buddhistische Kunst
in Indien. Handbuch d. k. Museen, Berlin,
zweite Auflage. — Grünwedel- Burgess,
Buddhist art in India. London 1901. —
A. Foucher, W'art Gröco-bouddhique du
Gandhära, Bd. I. Paris 1905. — Vgl. a.
Münsterberg, Japanische Kunstgeschichte,
Bd. ELL, Taf. IV.
Abb. 86 Nische mit buddhistischer Figur auf Sessel
mit herabhängenden, gekreuzten Beinen, Baldachin in
Imitation von Holzschnitzerei und Draperie, Felsrelief,
Grotte hei Tatong, Shansi, Nordweidynastie 5. Jahrh.
(Aus: Chavannes, Voyage archeologique dans la Chine
septentrionale, 1909) — Text s. ©. 130