Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

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Engel — Schleier und Flügel — Porträtfiguren 151 
untersuchen, erscheinen diese von einer Anzahl gleichzeitig von verschiedenen Rich- 
tungen wehenden Winden bewegten Stoffe unnatürlich und daher sinnlos. Der 
Chinese aber will nur in elegantem Schwunge der Kalligraphie das Symbol an- 
bringen, nicht die Natur abmalen. Im Grunde genommen haben diese flatternden 
Ornamente die gleiche Bedeutung wie die Flügel unserer Engel. Letztere sind auch 
in China bekannt, z. B. auf dem steinernen Sockel der Kolossalstatue Buddhas aus 
der Sungzeit im Kloster Tafosse ist ein Fries von Engeln mit Flügeln!) angebracht, 
aber im allgemeinen ist eine derartige Darstellung in buddhistischen Tempeln nicht 
zu finden. In Europa siegte allmählich die Flügelform und verdrängte völlig das 
flatternde Schleiersymbol, wäh- 
rend in China die ältere Form 
noch heute beibehalten wird. 
Neben den Götterfiguren 
wurden auch buddhistische Por- 
trätfiguren gemalt. Die älte- 
sten Originale dieser Art sind 
erst aus dem 8. Jahrhundert in 
Japan und Khotan bekannt ge- 
worden. Es ist kaum anzu- 
nehmen, daß der Stil vorher ein 
anderer gewesen ist. Waren bei 
den Göttergestalten die Tradi- 
tionen fremder Vorbilder von 
Einfluß, so wurden für die 
Priester naturalistische Studien 
bevorzugt. Auf einem späten 
Freskobilde (Abb. 110) der tur- 
kistanischen Provinz sehen wir 
beide Stile nebeneinander. Die 
Göttin, in der Pose einer grie- Abb. 111 Chienchen (japanisch: Ganshin), Priester aus der Yang- 
; ne _  provinz, China, segelte 741 nach Japan mit 180 Schülern, unter 
chischen Venus ’ hat die über ihnen Suto, der Verfertiger der Statue, bemalte Papiermasse 
schlanke, indische Figur mit vor- im Toshodaijitempel, Yamato, Japan, 8. Jahrh. 
geschobener Seite und den reichen N 
Schmuck der Göttin auf dem 
nackten Körper, und daneben sind in natürlichen Proportionen bekleidete Priester 
gemalt. 
Ebenso deutlich erkennen wir den Unterschied der Auffassung an Skulp- 
turen (Abb. 111). Die realistische Durchführung entspricht dem Zeitstil des 
8. Jahrhunderts, aber das Streben, porträtähnlich zu sein und das Interesse des 
Beschauers von dem gleichgültigen, wenn auch naturwahren Körper auf das 
Gesicht zu konzentrieren, ist aus dem bewußten Gegensatz gegenüber den fremd- 
ländischen Götterfiguren entstanden. Wurde bei den letzteren, in Anlehnung an 
die griechischen Vorbilder, die Pose des Körpers und die beigefügten Attribute 
beachtet und das Gesicht ursprünglich nur typisch gestaltet, so wurde bei der 
Darstellung der Menschen umgekehrt der Körper in dem stets einfachen Falten- 
kleid des Priesters ohne irgend welche Beigaben zur üblichen Konvention und 
der Gesichtsausdruck und die Handstellung zu dem eigentlichen Problem erhoben. 
Die Kunstfertigkeit in der Ausführung hat oft gewechselt, aber diese Grundregeln 
blieben unverändert durch tausend Jahre erhalten. 
  
  
  
  
1) Forke, Von Peking nach Ch’an-gan und Lo-yang. Seminar für orientalische 
Sprachen, 1898, S. 18 ff. 
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
    
	        
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