Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

    
192 Fremde Religionen und Völker 
Die einzige Berührung zwischen Staat und Religion bestand darin, daß ausschließ- 
lich der Kaiser als oberster Priester und ebenso seine Stellvertreter als Vermittler des 
Volkes den Göttern gewisse Opfer darbringen durften. Diese Stellung des Priester- 
Kaisers ist niemals erschüttert worden, sondern als Dogma noch heute gültig. Aus 
ihr schöpft der Kaiser seine moralische Kraft. Da mit der Anerkennung dieses 
Glaubensbekenntnis in unserem Sinne nicht verbunden 
anderen Religionen nicht gleichzeitig 
Religionsbegriff, allerdings 
Opfers ein eigentliches 
ist, so war gar kein Grund vorhanden, 
anzugehören. Chinesisch ist ein Staats- und kein 
mit der Einschränkung, daß man neben seiner eigenen Religion den Opter- 
dienst des Kaisers als Staatshandlung anerkennen muß. Dieses Zugeständnis 
ist sehr leicht zu erfüllen, da der einzelne nur stiller Zuschauer zu sein 
braucht und keine sonstigen Pflichten als die, dem Kaiser zu gehorchen, zu 
übernehmen braucht. 
Als der Buddhismus aufkam, wurde er ebenfalls neben den anderen Relı- 
sionen nicht nur geduldet, sondern von den meisten Kaisern gepflegt, allerdings 
vereinzelt auch verfolgt. Mit ihm kam zum ersten Male eine künstlerische Gestaltung 
des Gottmenschen nach China, und welchen Einfluß diese kirchliche Kunst ausgeübt 
hat, haben wir gesehen. Die meisten Chinesen bekennen sich zu allen drei Religionen 
oder beten wenigstens zu allen ihren Göttern. 
Islam 
Die der Zahl nach in China heute am stärksten neben dem Buddhismus ver- 
tretene Religion ist die Mohammeds; es werden etwa 20 Millionen Anhänger gezählt, 
von denen in den westlichen Provinzen Kansu etwa 8 Millionen und in Shensi etwa 
6,5 Millionen leben. Viele Einwanderungen aus dem Westen nach China haben statt- 
gefunden, aber auch viele Ureinwohner sind bekehrt worden. Es wird z. B. berichtet, 
daß Yünnan, als es 1295 zur Provinz erhoben war, von einem mohamınedanischen 
Minister Omar kolonisiert wurde, und daß damals viele Bekehrungen stattfanden. 
Die erste Einführung des Islam geht bis in die Tage der Tangzeit zurück, als 
Mohammed selbst noch unter den Lebenden weilte. 
628 wurde Wahabi Kabscha, ein Vetter von Mohammed, vom Tangkaiser in der 
damaligen Hauptstadt Singan empfangen und erhielt die Erlaubnis, die neue Religion 
zu lehren. In Kanton wurde die erste Moschee errichtet, die an der alten Stelle in 
späterem Neubau noch heute steht. Wahabi kehrte 632 zurück, fand Mohammed 
nicht mehr unter den Lebenden und brachte drei Jahre später die erste Ab- 
schrift des Korans nach China. Bald nach seiner Ankunft starb er, und sein Grab 
außerhalb des Nordtores von Kanton ist der Wallfahrtsort aller chinesischen 
Mohammedaner geblieben. 
Hundert Jahre später hatte der Islam bereits solche Fortschritte gemacht, daß 
mehrere tausend Gotteshäuser standen und 742 sogar in der Hauptstadt eine Moschee 
errichtet werden durfte. 
Politische Momente unterstützten diesen Erfolg. Die Araber standen im Kampf 
mit Persien, und dieses bat China um Hilfe gegen die kühnen Eroberer. Aber China 
lehnte jede Unterstützung ab, da es zu weit sei, eine Armee zu senden. Inzwischen 
eroberten die Mohammedaner Persien, und freundschaftliche Gesandtschaften gingen 
(650656) wiederholt an den chinesischen Hof. 
Die kühnen arabischen Seefahrer nahmen den Welthandel Roms wieder auf, 
und 714 landete das erste arabische Schiff in Chinas Hafen. Es brachte Perlen, Elfen- 
bein, Rhinozeroshörner, Glas und Korallen, Brokat, Kamelwollzeuge und Spezereien. 
Eine Zeit bedeutenden Handels begann. Wie römische Silbermünzen (S. 91) einst 
    
    
   
    
  
   
    
   
  
  
   
  
  
   
   
    
  
  
  
   
  
  
   
  
   
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
   
   
    
   
  
  
  
	        
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