Nestorianer — Katholischer Einfluß — Kwanyin — Jesuiten 197
sondern nur Plastiken in Holz, Bronze oder Porzellan und meist in kleinem Format:
Diese Erscheinung ist an sich merkwürdig, aber entspricht dem. konservativen
Sinne, nach dem ersten Vorbilde die Ausführung zu wiederholen. Wir können
daraus schließen, daß die Erstdarstellung mit dem Kinde plastisch gewesen ist.
Wir können des weiteren vermuten, daß ein fremdländisches Vorbild vorgelegen
haben wird, da sonst ebenso häufig der Vorwurf auch. in der Malerei vorkommen
würde. Es erscheint mir daher wohl denkbar, daß die buddhistischen Bonzen den
Eindruck beobachteten, den die liebliche Figur der Maria mit dem Kinde, wenn
auch nur rein menschlich als Göttin der Liebe
oder als Symbol des in China so bedeutungsvollen
Mutterglücks aufgefaßt, auf das Volk machte.
Dadurch kamen sie auf die Idee, da eine so
herrliche Figur des Lebensglücks in dem h Ra Mi il min N va
Pantheon des pessimistischen Buddhismus fehlte, H . RT AlBe m
die Kwanyin nach dem christlichen Vorbilde um- Al Pam I
zuformen. Große Kultbilder mit dem Kinde sind Le lahm
mir bisher nicht bekannt geworden, sondern nur ap. 158 1 Unterteil eines durch La-
kleinere Darstellungen für den Hausgebrauch, doch mas errichteten Kreuzes, 25 christ-
liehe Grabsteine, drei Tagereisen
mögen solche ebenfalls, wenn auch selten, herge- von Kalgan, aus der Mongolenzeit,
1 14. Jahrh.
stellt sein. (Aus: Favier, Peking)
Ein nicht unerheblicher Einfluß der euro- Text s. 5. 196
päischen Kunst auf die chinesische begann im
17. Jahrhundert. Nachdem Franz Xavier, der 1552 auf der kleinen Insel bei
Kanton beigesetzt worden ist, und andere Missionare mit abwechselndem Erfolge
den Boden. vorbereitet hatten, kamen feinsinnige und gelehrte Jesuiten,
ausgerüstet mit der ganzen Kultur und Kunst ihrer Heimat, an den Kaiser-
hof und lehrten dort neue Techniken und Wissenschaften. Von ihnen
lernten die Chinesen Kanonen gießen, Medikamente bereiten und den Kalender
regulieren; sie waren wirkliche Berater des Kaisers und Förderer des Staates.
Unter den zahlreichen Missionaren
sind drei bedeutende Persönlich-
keiten besonders hervorzuheben,
deren Andenken auf dem Fried-
hofe zu Peking durch schöne Grab-
monumente geehrt ist: der Ita-
liener Mattheus Ricci, der als Erster
(1601) nach Peking kam, der
Kölner Adam Schall und der
Belgier Verbiest.
Unter ihrem Einfluß wurden
Abb.159 1 christlicher Opferstein, 2 u. 3 Grabsteine in der Architekturen und Malereien,
Mongolei N 1 1
(als: Ferier Pökine) Kupferstiche und Lackarbeiten in
Text s. 8. 196 europäischem Sinne ausgeführt,
aber mit der aus politischen Rück-
sichten stattfindenden Verbannung des Ordens verschwand auch alles Fremdländische
in der Kunst. Die einzigen Monumente, die von den Erfolgen und Leistungen der
Jesuiten, als Kulturträger Europas, Kunde gaben und den Chinesen die Überlegen-
heit der werden Wissenschaft vor Augen führten, die hochragenden astro-
nomischen Instrumente auf ‘der Stadtmauer zu Peking,!) sind nicht von den
Chinesen, sondern — von den Europäern weggeschleppt. Auch der Jesuiten-
!) Abbildung vgl. Kapitel über Architektur in Bd. II.