Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

   
Sungmalerei — Höhepunkt der Weltkunst — Einfluß in Europa 205 
Meistern Italiens gedrungen sein muß. In den märchenhaften, monochromen Felsen- 
landschaften auf der Joconda und 8. Anna von Leonardo da Vinci sind Anklänge an 
jene phantastische Landschaftsmalerei, mit der China die Kulturwelt beschenkt hat, 
zu erkennen. Mit dem Porzellan zugleich werden im 15. Jahrhundert längst ver- 
loren gegangene chinesische Malereien nach Italien gelangt sein. Watteau hat in 
der Zeit der „‚Chinoiserie“ ebenfalls derartige chinesische Hintergrundkulissen mono- 
chrom gemalt, z. B. auf dem Bilde ‚„L’embarquement pour Cythäre‘“ im Louvre. !) 
Es ist der Geist jener chinesischen Lyrik, deren Zauber selbst von Goethe geschätzt 
und nachgeformt wurde (s. 8. 34), niedergeschrieben im Stile der chinesischen Im- 
pressionsmalerei aus der Sungzeit. 
Im vorigen Kapitel hatten wir den gefeierten Wu Taotze als den Vollender 
der Figurenmalerei und zugleich als den Bahnbrecher der neuen Zeit in der flüch- 
tigen Stimmungsskizze und Wang Wei als den Begründer der romantischen Land- 
schaftsschule kennen gelernt. Dieser Weg, den die großen Talente zuerst beschritten, 
wurde von den Sungkünstlern weiterverfolgt und zur Vollendung gebracht. Immer 
1) An dieser Stelle kann ich die Einwirkung asiatischer Kunst auf die Malerei 
Europas nur kurz erwähnen. Der Einfluß japanischer Holzschnitte auf Whistler und 
die „Modernen“ ist von den Künstlern selbst bezeugt. Die „Chinoiserie* des 18, Jahr- 
hunderts bezeichnet schon in ihrem Namen das vorbildliche Land; aber die Nachahmung 
ist sehr äußerlich und beschränkt sich im wesentlichen auf das luxuriöse Kunstgewerbe. 
Jede Zeit und jedes Land nimmt nur das auf, was die gerade vorhandenen Bedürfnisse 
befriedigen kann. Im 18, Jahrhundert war in Frankreich und England die nationale 
Malerei so stark entwickelt, daß ein umgestaltender Einfluß wie in den Zeiten der 
tastenden Neuerer der letzten Jahrzehnte nicht möglich war. 
Der Experimentator und Pfadfinder Leonardo da Vinci benutzte das chinesische 
Vorbild nicht zur Gestaltung selbständiger Kunstwerke, sondern fügte dem italienischen 
Bilde in alter Technik statt des bisherigen, sachlich erzählenden Hintergrundes einen 
mehr stimmungsvollen, wenn auch phantastischen in chinesischer Sungart an. 
Rembrandt fand bei seinem Streben nach Helldunkelwirkungen in den asiatischen 
Miniaturen ein geeignetes Vorbild, das in seiner stark individuellen Verarbeitung kaum 
wiederzuerkennen wäre, wenn nicht der Zufall Originale Indiens erhalten hätte, die 
inhaltlich mit den nachempfundenen Werken des Meisters übereinstimmen. 
Im 15. und 16. Jahrhundert sind nur vereinzelte Werke des Ostens nach Europa 
gelangt, aber sie genügten, um durch die Hand der Meister befruchtend zu wirken. 
Im 18, Jahrhundert sind wiederholt Chinesen in Europa gewesen, aber ihr Einfluß ist 
auf dem Gebiete der Malerei viel unbedeutender als der der chinesischen Bilder, 
Charles Smith in seinen British Mezzotinto portraits, Part II, S. 608, Nr. 10, gibt die 
Gravur eines Chinesen von J. Grozer nach H. Daulows mit der Unterschrift: „Euhun 
Sang Lum Akao from Makao“, der 1793 in London ankam. Ein zweiter Chinese befindet sich 
auf einem Gemälde von Zoffany in Windsor Castle, Das Bild wurde 1772 ausgestellt 
und ist im Katalog (Nr. 290) als: „The portraits of the academicians of the Royal 
Academy“ bezeichnet und 1773 von Earlon als Schabkunstblatt veröffentlicht, Wir 
sehen neben Reynolds und Gainsborough den chinesischen Kollegen, der „Tan-Chet-qua, 
ein chinesischer Künstler“, genannt wird, aber kein Werk von ihm ist bekannt geworden, 
und kein Einfluß ist bei irgend einem englischen Zeitgenossen zu beobachten. Ob dieser 
Chinese wirklich Mitglied der Akademie gewesen ist, scheint sehr zweifelhaft. Nagler 
bezeichnet ihn zwar als solches, aber er hat keine andere Quelle als das Bild von 
Zoffany. In den meisten Büchern über die Akademie (W. Sandbey, History of the 
Royal Academy; Graves, The Royal Academy of Arts, a complete dictionary of contri- 
butors and their works; Hodgson and Eaton, The Royal Academy and its members, 
1768—1830, Murray 1905) wird ein chinesischer Name nicht angegeben. Campbell 
Dodgson vom British Museum, der so freundlich war, für mich Nachforschungen an- 
zustellen, kommt daher zu dem Schlusse, daß Tan-Chet-qua kein Akademiker, vielleicht 
ein Schüler gewesen ist. Sein Porträt dürfte wohl nur der Kuriosität wegen von Zoffany 
abgemalt worden sein, 
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
  
  
   
	        
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