Einleitung
Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, zum ersten Male in zusammen-
hängender Weise eine Entwicklung der chinesischen Kunstsprache und ihre ver-
schiedenen Ausdrucksformen darzustellen.
Die Literatur über China ist sehr umfangreich. Seit den ersten Berichten
der Araber und des Venezianers Marco Polo im Mittelalter hat — mit nur vor-
übergehenden Unterbrechungen — stets ein reger Verkehr zwischen dem Abend-
lande und China bestanden. Handelskarawanen zogen durch Nordasien nach
Rußland, durch Mittelasien an das Mittelländische Meer oder zu See nach Indien.
Chinesische Töpfereien sind seit dem Ende des 15. Jahrhunderts nach Europa
gelangt, dann folgten Bronzen, Lackarbeiten, Elfenbeinschnitzereien, Bilder und
Möbel. Chinesischer Tee und Seide waren Bedürfnisartikel der europäischen
Welt geworden. Viele Tausende zogen aus Europa in den fernen Osten als
Abenteurer, Kriegsleute, Missionare, Seeleute, Diplomaten und vor allem als
Kaufleute. Kuriositäten aller Art wurden in ungeheurer Menge heimgebracht,
überschwemmten den Markt und wurden — leider in zu wahllosen Mengen —
in den Museen der Alten Welt aufgestapelt.
Ebenso zahlreich und umfangreich waren die Reiseberichte und Sitten-
schilderungen. Sie erzählen von der Geschichte und Politik, von den Gebräuchen
und der Religion, von den Trachten und Gewohnheiten. Auch die Wissenschaft
zog China in den Kreis ihrer Untersuchungen, und über die Geographie und
Geschichte, Philosophie und Religion, Sprache und Literatur des östlichen Reiches
haben hervorragende Gelehrte uns gut unterrichtet.
Aber bisher fehlen die Forscher der Kunst. Kunstarbeiten wurden zwar
zahlreich mitgebracht, aber es sind dekorative Stücke des Kunstgewerbes. In
den Schatzhäusern der Fürsten und Reichen, seit etwa 1500, und in den Kunst-
kabinetten und Sammlungen, seit etwa 1650, häuften sich die Schätze, aber es
fehlten — die Werke einer hohen Kunst, der Bildhauerei und Malerei, ebenso
wie die der archäologischen Funde. Nicht das Auge des Künstlers und Forschers,
sondern das des lebensfrohen Genußmenschen traf die Auswahl. Und der Händler
kaufte das, was er billig am Markte in China fand, denn für die im Lande
selbst hochbewerteten besten Kunstwerke war kein Absatz in Europa. Nicht
die künstlerische Qualität des einzelnen Stückes wurde verstanden, sondern man
suchte das Fremdländische des Eigenartigen wegen. Es war die Freude am
Klange der fremden Sprache ohne Verständnis für den Inhalt der Worte; so
kam es, daß die gewöhnliche Sprache der Kulis in die Paläste der Fürsten
Europas eindringen konnte und eine Schätzung wie Worte von Weisen fand,
Die fremdartigen Techniken wirkten anregend auf europäische Industrien,
und der chinesische Dekorationsstil schuf im 18. Jahrhundert eine Mode. Dem
Kunstgewerbe wurden viele Studien und Bücher gewidmet. Aus Töpfereien und
Porzellanen sind seit der Mode der Chinoiserie ebenso kostbare Sammlungen
wie zahlreiche wertvolle Werke entstanden, aber erst das in diesem Jahre er-
scheinende, grundlegende Werk von Laufer über die Töpfereien aus der Zeit der
Münsterberg, Chinesische Kunstgeschichte 1