956 Mongolen- (Yuan-) Zeit (12801368)
von dort nach dem Osten kam oder ob nicht umgekehrt auch diese Ausführung ur-
sprünglich die Anregung aus China empfangen hat. Daß die uns bekannte persische
Malerei seit dem 13. Jahrhundert nicht nur in Geist, Komposition und Perspek-
tive, sondern auch in vielen Einzelheiten, Drapierung, Kostümen, Ornamenten,
Wolken, Flammen und ähnlichem mit der chinesischen übereinstimmt, ist all-
gemein anerkannt.!) Die Staaten in Zentral- und Nordasien hatten seit Jahr-
hunderten ihre alten Traditionen antiker Kunst, wie wir sie in Gandhara, Baktrien,
Turkistan und bei den Skythen kennen gelernt haben, verloren oder waren niemals
über die geringe Zivilisation eines primitiven Nomadenvolkes, das in Zelten lebte
und keinen Hausbau kannte, hinausgekommen. Die buddhistische Kunst in Tibet
und den anderen Ländern war längst die gemeinsame mit China geworden, aber
nur hier zu einer wirklichen, nationalen Höhe entwickelt.
Über das damalige China haben wir eine ausführliche Beschreibung von Marco
Polo,2) der ganz Asien durchquerte und sich lange Zeit in Peking am Mongolenhofe
aufhielt. Er schildert die starken Mauern im Rechteck, den weitläufigen Kaiserpalast
mit seinen vielen Höfen und Gebäuden, mit seinen Marmorbalustraden und Treppen,
seinem See und künstlichen Hügel, seinem Luxus und Glanz. Die Stadt ist von
starken Mauern umgeben mit zwölf Toren, von denen jedes durch 1000 Soldaten
beschützt ist. Die geraden und breiten Straßen teilen die Stadt wie ein Schachbrett
in einzelne Blocks, in denen schöne Paläste mit Gärten, weite Plätze und reiche Häuser
erbaut sind. In den Vorstädten sind die großen Karawansereien für die verschiedenen
Nationen, die aus der ganzen Welt zum Handel zusammenströmen. Wir sehen
den alten Stil der Han- und Tangzeit in neuem Glanze erstehen. Die Nomaden-
sitten der Mongolen konnten keine Verbesserungen bringen. Von Einzelheiten
der damaligen Kunst weiß der Kaufmann Polo aus dem kunstsinnigen Venedig
ebensowenig wie seine vielen tausend Nachfolger im Handel etwas zu melden.
Es war von dem mächtigen Mongolenherrscher ein militärisch starker Platz,
ein reicher Mittelpunkt des Welthandels und ein glänzendes Hofleben
geschaffen, aber es fehlte die tiefe sittliche Kraft, die aus neu geformten Idealen
eine eigene hohe Kunst erzeugen konnte. Der Buddhismus wurde begünstigt,
die Mohammedaner und Christen geduldet und die Lehre von Konfuzius zwar
zuerst wenig geachtet, aber in späterer Zeit um so höher geschätzt. Arabische
Astronomen stellten die Zeitrechnung fest. Man war am Kaiserhofe wohl aus
politischer Klugheit tolerant, aber der ästhetischen und philosophischen Welt-
anschauung der Sungzeit völlig fremd; die Gelehrsamkeit der chinesischen
Literaten wurde von den tapferen, aber ungebildeten Kriegern sogar mißachtet.
Erst spätere Nachfolger auf dem Thron nahmen die chinesische Kultur auf, be-
sannen die alte Literatur zu studieren und ließen (um 1308) viele Werke ins
Mongolische übersetzen. Der Buddhismus wurde so sehr gefördert (1324), daß die
Bettelmönche, die zu Tausenden im Lande herumzogen und auf Kosten der
Bevölkerung lebten, eine Plage des Landes wurden. Die robuste Kraft der Barbaren
hatte im Kampfe den Sieg errungen, aber dann wurde sie langsam von der alten
chinesischen Kultur durchsetzt und geschwächt. Im Grunde war und blieb es eine
Fremdherrschaft, die den alten chinesischen Geist nur hemmen, nicht zu neuen,
vertieften Formen begeistern konnte.
Dementsprechend zeigt die Kunst eine Beibehaltung, aber Verflachung des
alten Stiles. Kein Künstler gilt den besten Meistern der Tang- und Sungzeit eben-
1) Blochet, Les Origines de la peinture en Perse, Gazette des Beaux-arts, 1905,
S. 123. — Migeon, Les arts plastiques et industriels in Manuel d’art musulman, Bd. Il.
Paris 1907.
2) Yule, The book of Ser Marco Polo, the Venetian, concerning the Kingdoms and
marvels of the East. - Zweite Auflage, London 1903, 2 Bde., S. 362 u. 374.