276 Mongolen- (Yuan-) Zeit (1280—1368)
liches Bild und so geschmackvoll arrangiert, daß das Übereinander der Blumen, wie
es der Blick aus der Vogelperspektive mit sich bringt, nicht stört.
Weniger elegant ist die Auffassung einer Pflanze mit Insekten (Abb. 240),
aber die Darstellung dieses kleinen Gewürms ist interessant. In den Kreis der
Naturbeobachtung traten naturgemäß auch die leicht zu beobachtenden Tierchen
des Gartens. Solange die Künstler die Tiere in vertiefter Symbolik zu malen
bestrebt waren, konnten diese kleinen, ausdruckslosen Lebewesen kein künst-
lerisches Interesse erregen, aber anders, als jetzt die Freude an dem Kleinen in
der Natur und an der dekorativen Wirkung der Farben erweckt war. Dasselbe gilt
(Abb. 237) für das liebevoll durchgeführte Bildchen der fetten Ratte mit ihren
Jungen in der Melone.
Wie man in der Figurenmalerei begann, neben den Göttern und Priestern
auch das Leben des Volkes zu schildern, so wurde neben den Drachen und Tigern
auch das Getier von Küche und Hof abgemalt. Diese Tendenz, in
miniaturartiger Ausführung die Natur in allen kleinsten Einzelheiten wieder-
zugeben, brachte auf der anderen Seite den Verlust der vertieften und groß-
zügigen Auffassung.
Wang Joshui, auch Yuan genannt, pflegte die Tradition von Chien
Shunchü. Er wurde für seine Blumen und Vögel, Bambus und Felsen berühmt.
Ein entzückendes Bildchen ist die fleißige Libelle auf einem Wickenzweig
(Taf. XI, A). Wie der Zweig in die Fläche gesetzt ist, wie der lange Körper des
Insektes hineinragt, wie das Rosa der Blüte den Mittelpunkt des Bildes aus-
macht und die dunklen Blätter über die Fläche verteilt sind, das ist so köstlich
ausgeführt, daß wir hier die Höhe des neuen Stiles erkennen können. Die
Größe und Tiefe ist abgelöst durch elegante Zierlichkeit und geschmackvolle
Arrangierung. Die Freude an den rein ästhetischen Momenten hat die ethische
Symbolik übertönt, wenn auch nicht völlig verdrängt, denn gewisse Nebenideen
klingen immer noch mit.
Auf einem Vogelbilde des Meisters (Taf. XII) sehen wir die Fläche mit einer
Reihe von Einzelmotiven gefüllt, die in ihrer Gesamtwirkung in Linie und Farben
wundervoll zusammenklingen. Wie bei den Landschaften können wir auch hier das
Bild in zwei oder selbst drei Teile zerschneiden, und jeder Teil ist ein Bild für sich.
Es ist eine komplizierte Komposition, aber künstlerisch zusammengestimmt durch
das feinfühlige Auge des Farbenkünstlers, nicht durch eine innere Zusammen-
gehörigkeit. Die etwas hart wirkenden, hellen Schwanz- und Rückenfedern
dürften im Original weicher sein und treten wohl nur durch die Mangelhaftigkeit
der japanischen Originalreproduktion so stark hervor. Dem Sungkünstler würden
der Bambus und die Lilienblätter leblos wie aus Holz geschnitzt erscheinen
und die gekünstelte Stellung des Fasans steif und unwahr, aber dem deko-
rativen Gefühl des Yuankünstlers sind diese Beobachtungen gleichgültig, denn
er will nur eine farbenfröhliche Dekoration, keine Tierseele, malen. Es ist ein
Farbenmosaik, dessen Wirkung die einzelnen Teile völlig zurücktreten läßt.
Mit besonderer Liebe wurde der Bambus gemalt, dessen elastische Zweige
und Stämme mit ihren immergrünen Farben bei Wind und Regen, bei Sonnen-
schein und Schnee das Auge des Künstlers entzücken. Die schwere Masse des
Bambusgebüsches löst sich in den Ausläufern der Zweige zart und leicht in der
Luft auf; sie bewegt sich mit natürlicher Grazie im leichten Wind und biegt sich
mit jugendlicher Widerstandskraft bei starkem Sturm. Le Kan!) hat 1299 ein
umfangreiches Werk mit vielen Illustrationen über die Malerei des Bambus ver-
öffentlicht, das allen späteren Generationen als Vorbild gedient hat. Er hat in
1) Wylie, Notes on Chinese literature, S. 136. Shanghai 1902,