Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

     
  
  
299 Mingzeit — Periode 1368—1500 
Die Pflaumenblüten sind in China — und noch mehr in Japan — 
ein besonderer Liebling aller Dichter, Philosophen und Maler gewesen. Der 
Priester Chung Jen!) war nicht nur ein Pflaumenbaummaler, sondern auch ein 
Pflaumenbaumphilosoph, indem er eine ethisch-philosophische Studie über dieses 
Thema schrieb. Er vergleicht den Pflaumenbaum mit dem Universum ; wie 
dieses aus dem Dualismus von Yang, dem männlichen, und Yin, dem weiblichen 
Prinzipe (8. 33) gebildet wird, so sieht er in der Blüte das Yang, als Gleichnis 
des Himmels, und im Stamm und den Ästen das Yin, als Gleichnis des Irdischen. 
Von dieser Grundanschauung aus- 
gehend, erklärt er alle einzelnen Teile. 
Ferner erkannte er ein System der 
Ordnung in dem Pflaumenbaum. So 
wachsen niemals die Zweige gleichmäßig 
nebeneinander, noch blühen so die 
Blumen, sondern jedes hat seine be- 
sondere Weise, In dieser phantasie- 
vollen Art der Vergleiche kommt Chung 
zu Ausführungen, die uns kaum ernst 
erscheinen, aber den spekulativen Geist 
der Chinesen für viele Jahrhunderte 
beschäftigt haben. So vergleicht er 
in den weiteren Ausführungen das Ver- 
hältnis der Blumen zu den Zweigen 
mit dem der Vasallen zu ihrem Fürsten, 
der langen und kurzen Zweige mit dem 
der elterlichen Verwandtschaft und die 
Stempel und Staubfäden mit dem von 
Mann und Frau. Um eine Malerei nach 
diesen Gesichtspunkten zu gestalten, 
kann man nicht die zufälligen Be- 
sonderheiten des Baumes nach der 
Natur malen, sondern die natürlichen 
Vorbilder müssen zu typischen Formen 
gestaltet werden. Er hat nicht weniger 
als 36 Punkte aufgestellt, die der Maler 
von Pflaumenbaummotiven beachten 
soll. 
Abb.256 Phönix, schwarzweiß, auf Seide, 1,7m zu 96 em, Diese in der ästhetischen Sungzeit 
ann ehe on All Tlene, entstehende Betrachtungsweise wird in 
(Aus: Tajima, Seleeted relies of Japanese art, Bd. XX) der Mingzeit als Gesetz beachtet und 
fördert eine geschickte dekorative, aber 
schematische Pflanzenmalerei. Liu Fu soll Pflaumenbäume (Abb. 255) als 
Spezialität gemalt haben. Wenn auch der Zweig schwerlich in der Natur so 
gewachsen sein dürfte, so ist doch nichts, was uns unnatürlich erscheint. Es 
ist mit sicherer Künstlerhand die Grenze innegehalten, die bei aller symbolischen 
Arrangierung und ästhetischen Flächendekorierung dennoch die Wirklichkeit 
berücksichtigt. 
Großzügig und temperamentvoll malt Liu Liang (japanisch: Riurio) einen 
Phönix in Schwarzweiß (Abb. 256), mit kräftigem, flottem Pinselstrich auf einem 
Baumstumpf, den Kopf nach dem Monde gewendet. Er ist umgeben von einem 
  
  
  
  
1) Kosaku Hamada, Plumtrees as an art subject in China. Kokka, Heft 19. 
    
  
  
  
  
   
  
  
    
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
  
    
  
  
  
  
  
  
  
    
   
	        
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