Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

    
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
   
  
   
   
   
      
   
   
    
     
   
  
  
  
  
  
  
    
  
  
  
  
  
  
Abb. 270 Steile Bergspitzen und 
Wald, schwarzweiß, etwa 1,95 m 
zu53em,von LanTienhsü, Mingstil 
(Aus: Nanshu Maigwayen, auch 
in Tajima, Selected relies of Ja- 
panese art, Bd. X) 
Text s. S. 305 
Mingzeit — Periode 1500—1644 
rische Effekte erzielt worden, 
Aber wie bei den Figurendar- 
stellungen ist auch hier die 
Einfachheit verloren ge- 
gangen, und das erzählende 
Moment beherrscht die Kom- 
position. 
Vergleichen wir wieder 
ein bekanntes Motiv in der 
früheren und jetzigen Aus- 
führung. Chang Ping- 
shan malt um 1550 einen 
Besuch im Gebirge (Abb.267). 
Der Sungkünstler hätte die 
Freunde in einen Pavillon 
gesetzt und durch eine ent- 
sprechende Phantasieland- 
schaft die Stimmung sym- 
bolisiert (Abb. 170). Der 
Minskünstler läßt einen 
Diener des Besuchers an der 
Haustüre klopfen, während 
ein anderer ein sorgfältig 
gesatteltes Pferd hält. Die 
sanze Örtlichkeit mit allen 
Dächern, Mauern und Bäu- 
men sehen wir einzeln auf- 
gezählt, aber es fehlt jene 
wundervolleLuftperspektive, 
die den Zauber des Land- 
aufenthaltes andeutet. Wir 
lernen die Örtlichkeit des 
Besuches äußerlich kennen, 
aber wir erhalten keinen 
Eindruck von den Freuden 
des Naturgenusses, den der 
Besucher erhofft. Vielleicht 
darf dem Maler für 'seine 
nüchterne Sachlichkeit kein 
Vorwurf gemacht werden. 
Vielleicht malte er die Wahrheit, und der Besuch 
auf dem Lande war 
nicht mehr, was er früher 
war: eine Flucht aus dem Trubel der Stadt in die 
Einsamkeit, von der Aufregung der Pflicht in die 
feierliche Ruhe der allgewaltigen Natur, von der 
Tagesarbeit zu einem beschaulichen Gottesdienst, son- 
dern nur eine einfache Höflichkeitsvisite unter voller Beachtung der Etikette. 
Wundervolle Landschafts-Dekorationen sind im 16. und 17. Jahr- 
hundert gemalt, und die Technik ist nicht nur der in der klassischen Zeit eben- 
bürtig, sondern übertrifit sie vielleicht in der zierlichen Ausarbeitung. Aber es 
sind hochgestaffelte Kulissen in komplizierter Komposition. Nicht mehr tritt ein 
Grundmotiv klar und einfach hervor, sondern eine Fülle einfacher Naturstudien wird 
  
  
  
  
  
Abb. 271 Regen im Frühling in 
den Bergen, Dorf mit stilisierten 
Bergkuppen, farbig auf Seide, von 
Li Seta, Mingzeit 
(Aus: Nanshu Maigwayen) 
Text s. 8. 305
	        
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