310 Mingzeit — Periode 1500—1644
sind genau eingezeichnet, wie
man es niemals in der Natur
sehen wird. Es ist kein Stück
Wasserleben, sondern eine Gruppe
von einzelnen Tieren, wie wir
sie vielleicht in Aquarien hinter
Glas sehen können.
Die Kamelien
Abb. 278 Taschenkrebs, Fische und
Wasserpflanzen, zugeschrieben Fan
Anjen (s. Abb. 207), aber wahrschein-
lich Mingzeit
(Aus: Kokka, Heft 146)
Text s. 8. 309
werden
im alten Stile gemalt (Abb. 279),
aber auch bei ihnen finden wir
eine größere Kompliziertheit der
Abb. 279 Kamelien, farbig, im Museum of fine arts,
Boston, Mingstil
ii (Originalaufnahme)
Blätter- und Blütengestaltung gegenüber älteren
Arbeiten (Abb. 202, Taf. XI,B). Da nicht mehr eine
einheitliche Darstellung aus dem Leben gegeben wird,
so hat der Künstler größere Freiheit, um in den
Ausschnitt seines Bildes von allen Seiten Pflanzen
hineinwachsen zu lassen (Abb. 280) oder in einem
Stilleben Früchte und Pflanzen zu arrangieren
(Abb. 281). Die Willkürlichkeit in der Anordnung
der Ranken und Blätter überschreitet bereits die
Grenzen der hohen Kunst und erinnert an Vorlagen
des Kunstgewerbes, bei dem der stilisierte De-
korationsstil und die andersgearteten Materialien
ein derartiges Verlassen des Vorbildes in der Natur
erheischen.
Auch die freie Pinselführung der Schwarz-
weißskizze, die charakteristische Impressionsmalerei
der Sungzeit (Abb. 194—199) wurde angewendet;
aber wie seelenlos ist die Kwanyin in manierierten
Linien gezeichnet (Abb. 282). Sonst saß sie in
heiligem Dreisymbol auf einem Felsen unter dem
weiten Himmel und über Wasser und Erde (Abb. 169,
182), jetzt sitzt sie nüchtern wie eine Dame der