Mandschuren-Eroberung — Jesuiten — Kunstgewerbe — Mandschustil— Wandbilder 319
Anregung damals aus Europa erhalten, wie wir in verschiedenen Kapiteln über
das Kunstgewerbe (Band II) sehen werden.
Die Mandschuren verlangten zuerst von den Soldaten, um im Kriege den ver-
bündeten Freund vom Feind zu unterscheiden, später von dem ganzen Volke als.
Zeichen der Unterwerfung und zur Unterscheidung von den zahlreichen Wider-
sachern die Annahme der nordischen Frisur mit Zopf und rasiertem Vorderkopf.
Nur den Koreanern wurde das Recht verliehen, die alte Tracht und Frisur beizu-
behalten, so daß wir bei ihnen deutlich die Mingsitten konserviert finden.
Eine eigene Kunst besaßen die barbarischen Eroberer nicht, sondern über-
nahmen, wie einst die Mongolen, die chinesischen Vorbilder. Die Beamten, soweit.
sie sich unterwarfen, wurden in ihren Stellungen bestätigt und die alten Zere-
monien und Sitten des Hofes beibehalten. Daher zeigt auch die Kunst der
frühen Mandschuzeit keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der aus der
späten Mingzeit. Nur wird im Laufe der Zeit die Tradition immer konventioneller
und immer geistloser ausgeführt. Die Kunst wurde nicht mehr von einer hohen
Kultur getragen, sondern durch die Laune der prachtliebenden Kaiser und ihrer
Beamten äußerlich nachgeahmt, um die Fremdherrschaft beim Volke beliebt zu
machen. Es war eine üppige Luxuskunst, entstanden aus dem Wunsche nach
Glanz, aber keine Verfeinerung des geistigen Lebens.
Es ist kein Zufall, sondern entspricht dieser Zeitströmung, daß das Kunst-
sewerbe damals zu einer hohen Blüte entwickelt wurde und alle Techniken
ihre Vollendung erfuhren. Die hohe Kunst aber zehrte von den alten Traditionen,
ohne die innere Kraft für neue eigenartige Ausdrucksformen zu gewinnen. Auch
der europäische Einfluß konnte nur eine geringe Wirkung ausüben, denn der west-
ländische Geist wurde nicht begriffen, sondern nur seine äußeren Formen wurden
unter Umformung in die Sprache der Chinesen und auch nur so weit, wie sie in
den alten Stil paßten, nachgeahmt. Auch in der modernen Zeit ist eine Änderung
nach dem europäischen Beispiele nicht zu erwarten, denn die Kunst ist der
Ausdruck des gesamten Geisteslebens eines Volkes, und nur wenn dieses sich ver-
ändert, kann von innen heraus ein neuer Kunststil geboren werden. Die Chinesen
lernen mit Kanonen schießen und auf Eisenbahnen fahren, aber sie sind trotzdem
Chinesen in allen Kulturfragen und werden es voraussichtlich noch lange bleiben.
Charakteristisch für den Mandschustil erscheinen mir die quadratmeter-
sroßen Wandbilder in den Tempeln und Palästen. Waren früher Fresken
mit buddhistischen Darstellungen gemalt oder weite Landschaften in symbolischer
Bedeutung, so werden jetzt die Handlungen des Tages, wie einst in der Han-
bis Tangzeit, verewigt. Seit uralter Zeit wird der Taishanberg in Shantung, die
höchste Erhebung in dem ältesten Chinalande, verehrt. Auf hoher Spitze ist
ein Tempel errichtet, und seit Jahrtausenden pilgern Millionen Menschen dorthin.
Auch der erste Mandschukaiser bestieg diese heilige Stätte, und im Tempel zu
Tainganfu sind riesige Wandmalereien, die in fortlaufender Darstellung seine
Prozession schildern. Der Kaiser selbst ist in doppelter Lebensgröße gemalt, und
Hunderte von Figuren in einfacher Lebensgröße begleiten ihn in die weite Bergland-
schaft. Alles ist sachlich ausgeführt; die Trachten und Uniformen, Abzeichen und
Waffen sind genau nach der Natur studiert. Es sind kulturhistorische Ilu-
strationen, die inhaltlich an ägyptische Reliefs erinnern, ausgeführt mit den
konventionell angewendeten Mitteln einer hohen Kunst.
Es ist der Geist des ungebildeten Emporkömmlings, der stolz auf seine
Macht und Erfolge ist und die Kunst nur als Handwerkszeug zur Befriedigung.