Mandschuzeit (seit 1644)
Ahnenbilder
Schon in der Hanzeit war die Mode bei den Vornehmen des Landes aufgekommen,
die Porträts der Verstorbenen in der Gedächtnishalle aufzuhängen. Diese
Sitte findet bis zur Neuzeit allgemeine Anwendung. Bei den feierlichen Begräbnis-
prozessionen wird das Bild des Verstor-
benen in einer Sänfte mitgeführt und
später in der Ahnenhalle aufgehängt.
Es ist eine merkwürdige Erschei-
nung, daß eine eigentliche Porträtmalerei
im europäischen Sinne niemals in China
die Rolle einer hohen Kunst erlangt hat.
TUR
Abb. 314 Porträt von vornehmer Frau in Staats- Abb. 315 Porträt von einem Mandarin in Staats-
kleidung, farbig, auf Seide, Ming- oder Mandsehustil kleidung, farbig, auf Seide, Ming- oder Mandsehustil
(Aus: Kollektion G.. Auktionskatalog, Paris 1904 (Aus: Kollektion G.., Auktionskatalog, Paris 1904
Text 339: 897. Text s.S. 337
Es hängt das wohl mit den religiösen Vorstellungen zusammen. Die Individualität
tritt zurück hinter dem kommunistischen Sinne. Der Lebende galt wenig, der
Tote alles. Für die Wohnung der Lebenden blieb man beim leicht vergänglichen
Holzbau, für die Toten errichtete man starke Grabhügel, die selbst der Räuber
nicht zu barühren wagte. Der Körper war nur die unbedeutende Hülle des Geistes,
der sich besser durch Gleichnisse und Symbole als im Porträt darstellen ließ.
Für die Totenbilder blieb, wie für alles. was mit der Ahnenverehrung zu-
sammenhing, eine bestimmte Tradition maßgebend. Vielleicht ist es der alte
Geist der Hanseit von vor 2000 Jahren, der noch heute in diesen Formen lebt.
Wir hatten den damaligen römischen Einfluß kennen gelernt (S. 90). In den
koptischen Gräbern Ägyptens sind aus der römischen Kaiserzeit Totenporträts, die