Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

    
24 Bronzezeit 
auf Mauern gemeißelt und auf Vasen gemalt. Und dieses Symbol wanderte nach dem 
Norden und wurde 3000 Jahre später der Hammer Thors, und vielleicht ist er auch 
nach dem Osten gewandert als Zeichen der göttlichen Macht des Kaisers. 
Zu den typischen Symbolen der mykenischen Kultur gehört der Oc hse mit 
seinem großen Gehörn, zwischen dem oft das Doppelbeil angebracht ist. Die Ochsen 
wurden geopfert, und ihr Bild war das Zeichen des Opfers, ohne daß sie, wie in Ägypten, 
als Gott angebetet wurden. Stilisierte Darstellungen des Ochsenkopfes, wie in China, 
sind in Kreta nicht gefunden, sondern die Tiere sind in voller Plastik oder im Relief 
so realistisch, als es den damaligen Künstlern möglich war, gestaltet, und viele 
Stücke sind gefunden, die unserer modernen Kunst Ehre machen würden. 
Hier können wir deutlich jenes Grundgesetz aller Kunstentwicklung 
verfolgen. Zuerst entsteht ein geistiger Gedanke, der das Bedürfnis nach der 
künstlerischen Darstellung erzeugt. Ist der Wunsch vorhanden, dann wird in 
naturalistischer Weise die Natur abgeformt. Erst später, wenn die einmal geschafiene 
Form zum Kanon geworden und die ursprüngliche Idee verloren gegangen ist, entsteht 
in ewiger Übertragung die steife Stilisierung, bis die mechanischen Kopien nach 
schlechten Kopien das Vorbild so umgestalten, daß nur symbolische Ornamente 
übrig bleiben. Dieser Vorgang wird noch beschleunigt, wenn, wie in China, unge- 
schulte Kräfte das Vorbild fremdländischen Geistes ohne Verständnis nachzu- 
formen bestrebt sind. ‚Mittel, Impulse und Vorbilder wurden übernommen“, 
aber in der Ausführung umgestaltet von der naturalistischen Form zu jener 
stilisierten Bronzedekoration, die wir als rein chinesisch ansprechen können. !) 
Ebenfalls dem kretisch-mykenischen Stile entspricht jenes Gegenüber 
von Doppeltieren oder Ornamenten, die sogenannte antithetische Gruppe. ?) Auf 
alten Opfergefäßen Chinas finden sich sehr zahlreich derartige Ausführungen, 
während in der später entstandenen nationalchinesischen Kunstsprache gerade die 
freie Entfaltung der Muster, ohne den aus der Architektur abgeleiteten Rhythmus 
!) Laufer, Chinese pottery of the Han Dynasty, irrt völlig, wenn er (S. 244) in 
der „japanischen und chinesischen Kunst jede Spur einer naturalistischen Auffassung“ 
vermißt. Richtig ist seine Beobachtung, daß gewisse Formen, z. B. der buddhistische 
Löwe und der Löwe der Hanzeit, nach fremden Vorbildern geschaffen wurden. Diese 
Formen blieben auch beibehalten, weil einerseits keine lebenden Vorbilder existierten 
und andererseits die stilisierte Form zum Ausdruck des heiligen Symbols gestaltet war. 
Aber aus dieser für gewisse Zeiten und Typen charakteristischen Darstellungsart die 
Folgerung zu ziehen, daß (S. 243) „in allen Zeiten und in allen Ländern die Künstler 
fertige Vorlagen kopierten und nicht die Natur“, ist völlie unhaltbar. Als Beweis 
(S. 243, Anm. 2) führt Laufer die später zu erwähnende Malerei von Wu Taotze an. 
Laufer glaubt offenbar, daß Wu aus dem Gedächtnis nur mit nach Vorlagen aus- 
wendig gelernten Mitteln die Landschaft malte, aber er verwechselt impressionistische 
Stimmungsmalerei mit Kopien nach fertigen Bildern. Das eine ist das selbständige 
Schaffen eines Genies, das in seinem Gehirn das Geschehene selbständig umformt und 
in seinem eigenen Stil niederschreibt, der Kopist aber ist ein besserer oder schlechterer 
Maltechniker. 
Wenn nach Laufers Annahme alle Maler nur kopieren, so entsteht die Frage, 
wer hat denn das erste Original geschaffen? Wie wir oben sahen, ist vielmehr um- 
gekehrt alle Kunst ursprünglich naturalistisch und wird dem technischen Können des 
Volkes entsprechend ausgeführt, und dann erst kommen die Kopisten und modeln das 
Vorbild oft bis zum sinnlosen Ornament um. Wenn aber neue Kulturströmungen wieder 
zur Natur zurückführen, so werden neue naturalistische Schulen geschafien, die ebenso- 
wohl realistisch, wie impressionistisch (wie z. B. Wu Taotze) malen können. Gleichzeitig 
bleibt aber für gewisse Ideen, besonders für die Darstellungen im Kultus, die stilisierte 
Tradition beibehalten. 
2) A. Reichel, Die Antithetische Gruppe. Memnon II, 1908. — A. Jolles, Die Anti- 
thetische Gruppe, Jahrbuch 1904, S. 27. 
  
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
     
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.