Bogen — Nordasiatischer Stil 41
Ägina!) mit hoher Mütze ein Skythe, dagegen der am Ostgiebel mit dem Leder-
schurz und den kurzgeschnittenen Haaren ein Grieche. Diese Untersuchung be-
weist ebenfalls den Zusammenhang zwischen skythischen und chinesischen Ge-
bräuchen und andererseits zwischen skythischen und griechischen, aber keine
Kunde von Griechenland drang nach China. Die skythischen Fürsten importierten
einzelne griechische Kostbarkeiten, aber das Volk war zu barbarisch, um eine
eigene Kunst im griechischen Stile zu erzeugen und der Vermittler dieser Kunst
nach dem Osten zu sein. Die sehr beliebte Darstellung des Bogenschützen zu
Pferde auf der Jagd (Abb. 52, 56) scheint dagegen von den mittelasiatischen,
wahrscheinlich türkischen Völkern übernommen zu sein.
Aus diesen verschiedenen Übereinstimmungen innerhalb eines begrenzten Ge-
bietes können wir einen gemeinsamen nordasiatischen Stil aus der zweiten
Hälfte des 1. Jahrtausends erkennen. Lokale Typen hatten sich aus einem gemein-
samen größeren Kulturkreise entwickelt.
Auch ein begrenzter Handelsaustausch bestand, denn in Sibirien sind Bronzen
gefunden, die sicher in China gearbeitet worden sind, und umgekehrt weisen einzelne
chinesische Arbeiten einen völlig fremden, sonst niemals vorkommenden Stil auf. So
weist Reinecke auf einen alten Trinkbecher hin, der im Pokutulu (Heft 16, S.18) ab-
gebildet ist. In die Form eines Stierkopfes ausgehend, erinnert er auf den ersten
Blick an den griechischen gleichartigen Rhyton. Derartige Stierkopftrinkbecher
waren in Griechenland seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. sehr beliebt. In Südrußland
sind prächtige Exemplare aus Edelmetall bekannt geworden, die mit tönernen aus
Griechenland übereinstimmen und teilweise auch mit der chinesischen Zeichnung,
die wahrscheinlich nach einem Becher aus Bronze angefertigt ist. Ein ähnlicher
Kopf, auf dessen Maul ein Ornament mit einer Taube ruht (Abb. 119), scheint auf
das gleiche Ursprungsland hinzuweisen. Die Verwendung eines abgeschnittenen
Kopfes in dieser Art ist völlig unchinesisch. Er dürfte wohl nur als fremdes
Kuriosum abgebildet sein. Eine Wiederholung in der späteren Kunst Chinas
findet sich nicht, obgleich alle anderen Ornamente und Formen der alten Bronzen
immer und immer wiederholt wurden. Das Alter dieser Stücke ist nicht an-
gegeben, aber sicher sind die Formen oder die Originale durch Skythen nach
China gebracht, was bald nachdem die Mode in Griechenland entstanden war,
geschehen sein dürfte. ?)
1) Furtwängler, Die Ägineten der Glyptothek König Ludwigs. nach den Resultaten
der neuen bayrischen Ausgrabung. München 1906. 14 Tafeln.
2) Wenn wir in China „Drachen“köpfe (Abb. 40, 63) und andere „Wikinger“-
motive (Abb. 31) finden und andererseits bei den Franken und Alemannen Bandorna-
mente sehen, die viel Ähnlichkeit mit chinesischen Verzierungen aufweisen, so scheint
es wohl der weiteren Spezialforschung wert, ob nicht auch von den Ufern des Kaspischen
Sees diese skythischen Formen nach Europa gewandert sind. Der noch nicht spezifi-
zierte, schlangenartige Tierkopf der Skythen wurde in Europa zum Lindwurm, dem Prinzip
des Bösen, und in China zum Drachen, dem Symbol des Guten,
Die ältesten Germanenbilder aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. (s. Schumacher,
Verzeichnis der Abgüsse und wichtigen Photographien mit Germanendarstellungen,
Katalog des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Mainz 1909, Fig. 7, 8. 10 u. ff.)
zeigen das Haar in einen seitlichen Knoten aufgebunden, wie es in verschiedener
Form in Nord- und Ostasien üblich war. Wir kennen den Schopf der alten Japaner,
dessen wahrscheinliches Vorbild bei den Miautzestämmen noch heute erhalten ist,
ebenso wie die Ausgestaltung zum Mandschuzopf bei den heutigen Chinesen. Ob die
Formen durch die ersten Germaneneinwanderungen aus Südrußland mitgebracht oder
durch Handelsbeziehungen später übertragen sind, ist gleichgültig, wenn überhaupt ein
Zusammenhang angenommen werden kann. Selbstverständlich spreche ich nur von
einer Übertragung der Formen und Sitten, nicht von einem Zusammenhang der Rassen,