Shihuangti-Bauten — Brücken — Großer Wall 69
bestand aus wohlriechenden Holzarten ferner Provinzen. Viele hundert Einzel-
gebäude sollen errichtet worden sein. Aber alle Angaben sind so phantastisch und
so allgemein gehalten, daß wir den Baustil nicht ersehen können. Von der inneren
Einrichtung heißt es, daß das Gebälk mit „gestickten‘‘ Seidenstoffen überkleidet
und der Fußboden zinnoberrot gefärbt sei, während ‚Vorhänge, Draperien, Glocken,
Pauken und schöne Frauen“ das Innere der Paläste belebten. Vielleicht waren der-
artige Ausschmückungen, die später häufig vorkommen, schon früher angewendet,
vielleicht sind sie erst später zugedichtet, aber jedenfalls wird hier zum ersten Male
davon gesprochen. In den alten Gedichten, die ziemlich genau die Einrichtungen
des Lebens schildern, hören wir nie von solchen üppigen Gewohnheiten. Es ist
wohl möglich, daß mit der Kenntnis des Gusses von Bronzefiguren auch die Ver-
wendung von Stoffen und Draperien zugleich nach China gelangte.
Beim Bau einer mächtigen Steinbrücke über den Weifluß von 380 Schritt
Länge und 60 Fuß Breite, auf 68 Bogen ruhend, wurden starke Männer in Stein
gemeißelt. Die Brücke wurde 190 und 417 zerstört, aber immer wieder aufgebaut,
bis man sie 618 verfallen ließ. Die Berichte stammen aus einer Zeit, als die
Brücke bestand, und sind daher glaubwürdig, allerdings sind die Figuren vielleicht
erst später bei der Restauration hinzugefüst. Noch am Ende des vorigen Jahr-
hunderts sollen Überreste vorhanden gewesen sein. Forke meint, daß es sich
vielleicht um Karyatiden gehandelt hat, welche Annahme vieles für sich hat.
Das mächtigste Bauwerk von Shihuangti scheint sein eigenes Grabmal bei
Lintung gewesen zu sein. Ein Wasserlauf wurde abgeleitet und Steinblöcke von ge-
waltigen Dimensionen aus der Ferne hintransportiert. Jetzt steht nur noch ein sanft
aufsteigender Hügel ohne jeden Schmuck als einziger Rest einer großen Zeit. In der
Totenkammer waren einst reiche Schätze aufgespeichert, aber alle Schilderungen
klingen phantastisch und sind sicher erst von späteren Schriftstellern. als das Innere
längst zerstört und ausgeraubt war, hinzugedichtet. Bald nach dem Tode des Kaisers
brachen neue Unruhen aus, und bereits der Nachfolger auf dem Thron, der Begründer
einer neuen Dynastie, hat das Mausoleum erbrochen und alle Kostbarkeiten fort-
geschleppt. Die Arbeiter und der ganze Harem des Kaisers sollen lebendig in dem
Grabe eingemauert worden sein.
Das einzige Denkmal, das diesen kühnen Cäsar überlebt hat, ist der große
Wall (221—210). Früher hatten einzelne Feudalstaaten an ihren Grenzen Teil-
wälle errichtet, aber jetzt erst wurden diese untereinander verbunden und zu einer
einheitlichen Schutzmauer für die nordwestliche Grenze des Reiches ausgestaltet.
Durch Militärstationen wurde der feindliche Überfall verhindert und durch Straf-
kolonien eine Bevölkerung der Grenzdistrikte geschaffen. Erst unter den Ming-
kaisern wurde der Wall mit Steinmauern versehen. Derartige Schutzwälle waren
in der alten Welt nichts Seltenes, die Römer wendeten sie wiederholt an, und die
„limes“ an Deutschlands Grenzen war ein ganz ähnlicher Bau. Die Wirkung dieser
„chinesischen Mauer“ war für Europa bedeutungsvoller als für China. Für letzteres
war es nicht nur der Schutz gegen Feinde von außen, sondern auch die Grenze seiner
eigenen Expansion. Als ein Steppenvolk im Norden, die Hunnen, neue Weideplätze
suchten oder von anderen aus ihrer Heimat vertrieben wurden, da fanden sie ihren Zug
nach dem Süden durch den Erdwall verhindert, und so zogen sie an ihm entlang
nach Westen und dann in der eingeschlagenen Richtung immer weiter, bis sie die
große Völkerwanderung in Europa hervorriefen.
Auch andere Erdarbeiten großen Stiles wurden ausgeführt. So wird noch heute
Siping in einem der schönsten Tempel Chinas gefeiert, der im 3. Jahrhundert v. Chr.
einen Fels durchschnitten hatte, um die Wasser des Minflusses in einen hundert Fuß
tiefen Kanal in der Richtung nach Chengtu in die Ebene zu leiten, wodurch eine völlig
unfruchtbare Gegend in einen blühenden Landstrich verwandelt wurde.