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70 Hanzeit — Griechisch-römischer Stil
Es liegt sicher ein großer Zug in den Unternehmungen von Shihuangti, aber
seine Bauten waren für das durch die langen Kriege entvölkerte Land zu großartig.
Nur durch eine ungeheure Bedrückung des Volkes und durch unmenschliche Fron-
arbeiten war die Ausführung möglich. Viele tausend Arbeiter fanden bei diesen
Bauten ihren Tod, und die Geburt von Knaben wurde geheimgehalten, um sie vor
dem Frondienst zu bewahren. Ein Volkslied hat die Klage der Zeit erhalten: })
Geburt der Knaben sorglich wird verschwiegen,
Die Mädchen zieht mit trocknem Fleisch man auf,
Sieht längs der Großen Mauer nicht zuhauf
Gerippe man und Totenknochen liegen.
Der Unwille im Volk führte zu einem allgemeinen Aufstand nach dem Tode des
Herrschers. Mit seinem Sohne starb sein Geschlecht aus, und seine Werke sind zerstört,
nur der Erdwall steht. Was aber den Namen des Kaisers bis zum heutigen Tage in
China mehr als seine Bedrückungen des Volkes geschändet hat, war sein berüchtigter
Befehl (213) der Verbrennung aller Bücher, bei Verkündung der Todesstrafe
im Falle der Verheimlichung; nur landwirtschaftliche, medizinische und ähnliche
praktische Werke waren ausgenommen. Er vertrat die Meinung, daß die Beamten
kein Verständnis für die Gegenwart hätten, da sie sich zuviel mit dem Studium der
alten Werke beschäftigten und infolgedessen zu der gefährlichen Kritik seiner
Handlungen kämen, indem man sie mit denen der Vergangenheit vergliche. Welche
kostbaren Schätze damals verloren gegangen sind, die trotz des eifrigen Forschens
und Sammelns in der folgenden Zeit unauffindbar blieben, ist nicht mehr festzustellen.
} Kaiser Wuti (140—86 v. Chr.) war bestrebt, durch die Gründung der „Akademie der
großen Studien“ und der Kaiserlichen Bibliothek den Verlust soviel als möglich
wieder wettzumachen, aber sicher sind viele Unika verloren geblieben.
In diesen drückenden Zeiten scheinen fast alle alten Bronzegefäße ein-
geschmolzen zu sein, und nur ganz wenige Stücke sind vor der völligen Vernichtung
durch Versenken in die Erde und in Flüsse bewahrt worden. In ruhigen Zeiten
ist zwar einzelnes durch Auffischen (Abb. 2, 3)2) wieder ans Tageslicht gekommen,
aber diese wenigen Stücke, die in Tempeln und Palästen aufbewahrt wurden, sind
später wieder verschollen, und die heutige Existenz von vielen Bronzestücken aus
der Zeit vor oder selbst nur während der Hanherrschaft gehört in das Reich der
Fabeln. .Nur ein einziges Weihgefäß im Tempel auf der Silberinsel ?) ıst uns '
bisher aus vorchristlicher Zeit bekannt geworden — wenn die Datierung der
Chinesen richtig ist.
Auf ein kurzes Interregnum (206—202), ausgefüllt mit neuen Fürstenkämpfen,
folgte die siegreiche Handynastie (201 v. Chr. bis 221n. Chr.), unter deren liebe-
voller Pflege die neue Kunst eine hohe Blüte erlebte.
Über die Bauten der Hanzeit haben wir ausführliche und glaubwürdige Be-
schreibungen. Die Stadt Loi, die 770 v. Chr. als Residenz erbaut worden war,
zeigt die alte Bauart in viereckiger Gestalt mit einer Stadtmauer, die auf
jeder Seite drei Tore hat; die Nordsüdstraße führte mitten auf den Palast zu.
Demgegenüber zeigt bereits die erste Ansiedlung (200 v. Chr.) des neuen Herrschers
einen ganz anderen Stil. Die Form der Stadt wurde ganz unregelmäßig gestaltet,
der nördliche sowohl als auch der südliche Teil sollen Sternbildern gleichgesehen
2 A. Forke, Blüten chinesischer Dichtung aus der Zeit der Han- und sechs
Dynastien. Magdeburg 1899.
ss Weitere Abbildung bei Zaufer, Chinese pottery of the Han Dynasty, 1909,
af. XV; : i
3) Abbildung von Hirth nach Photographien s. Bd. II, Kapitel über Bronzen.